Zonic > Artikel > Heft 12,5 > Pavel Fajt

Pavel Fajt
Für Beatnicks: Ein Tanz in der St. Bernhard Kapelle

Matthias Kieslowski
Ein mattes Rot liegt vor meinen Augen, hinter einem Gitter von weissen Strichen, Krakeln, im Ganzen ergibt sich ein den Blick beengendes Muster und ein Motiv mit einer absurden Anspielung. Dieses Plattencover fällt heraus, ein Indies Records Masterpiece.

Warum gerade die Einleitung; ich habe mir diesen Tonträger in Brno gekauft, in irgendeinen x-beliebigen Mainstream- Store fand ich dieses Cover im Top-20 News Klappregal. Am unteren Rand der erlösende Schriftzug: Drumtrek... Oh endlich, beim Aufklappen sieht man den konsequent zurückhaltenden - auf Musik ablegenden - Blick des Drummers.
Drumtrek - irgendwo zwischen Minimalmusik, Jazz, Trip Hop und Improvisation geht Pavel Fajt hier auf ganz eigenen Pfaden. Ein Künstler, der sich asketisch auf ein Schlagzeug selbstbeschränkt, denn damit allein steuert er zumindest live alles an. Jeder Ton zählt, in seiner Klangfarbe, Höhe, Lautstärke und Wiederholung, viele Töne wirken in ihrer Dramaturgie, und diese Wirkung gilt es allein aus dem Gefühl der Hände heraus zu entwickeln, wir tanzen und träumen und er gibt sich dafür ganz rationell. Das ist die Kunst.
Meine Favourites: "delay delay" in einer ganz souveränen, trockenen you got it- atmosphere und "area sismica" mit einem von der ersten Sekunde an alles in Vibration versetzenden Flanging-Effekts, während sich der Drum-Groove völlig im Nirvana verliert- eigentlich wäre eine Vinylauskopplung Pflicht.

Am 22.11.2001 spielte Fajt gemeinsam mit der Vokalistin Stepanida Borisova aus Jakutsk/ Russland in Leipzig. Stepanida gehört dem Turk-Volk der Sakha an und beherrscht den Gesang der Schamanen - aber nein, sie ist keine leibhaftige Schamanin. Ein verlockendes Projekt, bei dem die Vokalistin im Vordergrund steht, Fajt führt ihren Gesang einer passenden Geräuschkulisse zu und das Ergebnis ist eine Klangwelt, die viel Raum läßt und trotz der elektronischen Sounds äußerst natürlich wirkt. Wie Fliegen flirren die Geräusche vereinzelt vorbei, die Erde bebt etwas und in der Ferne singt eine Stimme fremdartig. Ich habe das Gefühl, in der Natur zu sein, in Kirgisien irgendwo am Fusse des Altai Gebirges. Es ist Nacht. Diese Musik ist erlebte Natur.

Man könnte an dieser Stelle von einer Bestandsaufnahme des tschechischen alternativen Musiklebens schreiben, im Zonic wurde schon über Iva Bittova, über Dunaj oder Uz Isme Doma berichtet, dies alles Personen oder Formationen, die musikalisch bereits mit Mr. Fajt eng verbandelt waren. Nun ist er persönlich an der Reihe, er, der laut Green Dolphin`s Poll auf Platz sieben der besten Schlagzeuger steht... . Aber nicht davon will ich berichten. Vielmehr sind drei seiner aktuellen Projekte Thema: das Quartett „Danubians“, das Duo „Borisova Fajt“ und sein Solo-Programm „Drumtrek“. Thema wird aber auch sein: wie kann die Synthese zwischen Jazz resp. Neuer Musik einerseits und Drum`n`Bass, Elektro etc. andererseits gelingen? Ein kleiner Gesprächs-Anlauf dazu:

Zonic: Zuerst möchte ich dich auf ein Projekt namens Danubians ansprechen. Unter diesem Projektnamen kam 2000 eine CD eines Quartetts mit der Amerikanerin Amy Denio (die an dieser Stelle ungarisch singt) und dir am Schlagzeug heraus. Ergebnis war eine sehr frische, experimentierfreudige und sarkastische Musik, in der Klänge von den unterschiedlichsten Instrumenten auftauchen. Wer macht da was?

Pavel: Es ist vor allem ein Projekt von Amy Denio aus Seattle. Von ihr kam die Idee. Amy ist eine Multi-Instrumentalistin und spielt auf der CD Gitarre und Saxophon, außerdem tritt sie auch als Vokalistin auf. Sie ist eine außergewöhnliche Musikerin, hat einen interessanten Stil gefunden und ist kreativ. Das heißt, sie beherrscht mehrere Instrumente und arbeitet nicht nur mit Effekten, dabei spielt sie hervorragende und außergewöhnliche Soli.
An dem Projekt arbeiteten weiterhin Csaba Hajnoczy (alter Bekannter vom ungarischen Indielabel Bahia und den Kampec Dolores) aus Budapest. Er tritt als Vokalist auf und spielt Gitarre mit einigen Midi-Sachen. Auch aus Ungarn ist Gabi Kenderesi (ebenfalls bei Kampec), ebenfalls als Vokalistin und sie spielt noch Violine.

Zonic: Wenn ihr örtlich so verteilt seit, dann ist das ja richtiges Networking! Wie fandet ihr zu der Formation und wird es die Zusammenarbeit weiter geben?

Pavel: Wir hatten eigentlich nur einen Monat, das war vor drei Jahren im März 1998. Zu der Zeit trafen wir uns und setzten uns zusammen. Zuerst probten wir für einen Live- Auftritt und anschließend gingen wir für einen Monat ins Studio und nahmen die CD auf. Diese ist bei Cuneiform Records, einem amerikanischen Label, veröffentlicht worden. Wir fanden sehr gut zueinander und machten nach den Studioaufnahmen noch eine Europa- Tournee und spielten auch in Amerika, u.a. auf einem Festival in Victoriaville in Kanada. Es ist aber schwierig, das Projekt weiterzuverfolgen. Amy ist meist nur zu Tourneen in Europa und arbeitet dann auch noch an weiteren Projekten. Auch wir- Csaba und ich- sind viel unterwegs mit unseren eigenen Projekten. Insofern ist es schwierig. Wir haben es aber vor, uns nächstes Jahr (2002) wieder zusammenzutun. Mal sehen!

Zonic: Wie kam es zu dem Namen? Danubians, ich hätte damit zuerst eine Zigeunerband aus Südosteuropa verbunden.

Pavel: Das war die Idee von Csaba, und wir hatten die Aufnahmen in Budapest gemacht. Der Name repräsentiert auch das Projekt und die Vision. Wir kommen aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen musikalischen Polen. Der Name stellt damit die Verbindung von verschiedenen Kulturen und Richtungen dar, die an einem Punkt zusammenkommen. Dazu kommt, dass wir alle - vor allem Csaba - entscheidend von Folklore beeinflusst wurden, auch von Zigeunermusik. Dieses Element spiegelt sich dann in dem Sound, zu dem wir bei dem Projekt finden wieder und wird in dem Namen ausgedrückt

Zonic: Und wer spielt dieses schräge Akkordeon, das voll durch das Effektgerät gezogen wurde? Eine sehr funktionierende Angelegenheit, vor allem mit dem Flanging-Effekt, Wahnsinn. Das Akkordeon kann ja ohnehin ein sehr emotionales und witziges Instrument sein. Viele hat das vielleicht vor den Kopf gestoßen, aber durch diese Kompromißlosigkeit und da ihr einen sehr atmosphärischen, aber drückenden Sound spielt, kann ich mir Danubians an der richtigen Stelle sogar im Club vorstellen, auf dem Dancefloor.

Pavel: Das Akkordeon spielt auch Amy und das andere ist deine Angelegenheit.

Zonic: Drumtrek ist dein Soloprojekt und eines der außergewöhnlichsten zwischen improvisierter Musik und Elektro in den letzten Jahren, finde ich. So ambitioniert und ohne Klischees hat diesen Weg bisher kaum jemand beschreiten können. Du beschränkst dich voll auf dein Schlagzeug, an welches du über einen selbstkonstruierten Sensor (der Bogen auf dem Foto) elektronische Klangerzeuger angeschlossen hast. Musikalisch spielst du zwischen klassischer freejazziger Improvisation, minimalistischer Rhythmik die Trip Hop und Drum´n Bass verwandt ist und einem sehr elektrischen atmosphärischen Ambientsound. Deine Klangwelt ist sehr klar und dadurch, dass der Klangkörper allein das Schlagzeug ist, ist alles sehr perkussiv, alles gerät in Bewegung, schwingt geradezu. Live und laut wirkt das besonders beeindruckend. Wie reagiert das Publikum bei deinen Auftritten und Touren auf Drumtrek und diese Art von Musik, gerade auch die unterschiedlichen musikalischen Pole, d.h. die Leute, die dich aus der Jazz und Improvisationsszene kennen und andererseits Leute aus dem Electro- oder DnB- Umfeld?

Pavel: Die Reaktion variierte von Stadt zu Stadt. Ich hatte den Eindruck, dass der Zuspruch abhängig von den lokalen Szenen ist. Die Leute orientieren sich in ihren Szenen und ich hatte nicht den Eindruck, dass sich Publikum aus dem Jazzbereich mit denen aus der Drum`n`Bass Szene vermischte. Das ist auch schwierig, da hier die Veranstaltungsorte oft unterschiedlich sind, davon hing also schon ab, wer zu meinen Konzerten kommt.
Von der klanglichen Seite ist es da schon anders. Für das Jazz- Publikum spricht die Musik von der Art her, wie sie kreiert ist. Die Art und Weise, wie ich Schlagzeug spiele, ist klassisch, mit einem normalen Drumset, dazu kommen die elektronischen Sounds, die ich aber über eine in das Schlagzeug integrierte Konstruktion anspiele. Die Klangfarben sind dann schon etwas fremder, damit hat man im Drum´n´Bass weniger Probleme. Das Publikum ist da wohl auch mehr darauf aus, nicht die Musik als solche zu erforschen, sondern sie wollen eher die Energie spüren. Das ist für sie das Interessante an meiner Musik, allerdings auf eine andere Art, die vielleicht nicht so einfach für die Leute ist.
Bisher habe ich es oft beobachtet, dass die meisten bei den Drumtrek Konzerten einfach die Augen geschlossen haben, da trafen sich dann alle. Ich würde das, glaube ich, genauso machen.

Zonic: Du sagtest gerade, dass es von Ort zu Ort unterschiedlich war und dass eine Vermischung der Szenen nicht erkennbar war. Wie sah das in deiner Heimat in Tschechien aus, da bist du um einiges bekannter und wahrscheinlich nicht nur durch deine Projekte mit Iva Bittova., du spielst viel öfter in den verschiedenen Clubs. Wie sah das mit dem Drumtrek-Programm aus? Wie reagierten die Leute aus den DnB-Kreisen in Tschechien? Sind sie aufmerksam geworden?

Ob sie aufmerksam geworden sind, das kann ich nicht so richtig sagen. Ich glaube schon, dass ich da teilweise schon bekannt bin, habe da auch schon live gemeinsam mit DJs in Clubs gespielt. Aber eigentlich ist DnB in Tschechien eher schwach. Es gibt einige spezielle Orte, in denen wird das hin und wieder gespielt.

Zonic: Du hast gerade die Zusammenarbeit mit DJ Sayko angesprochen. Ich kann mir das ziemlich schwierig vorstellen: der DJ und der Schlagzeuger. Ich hab schon öfters in Clubs einen Perkussionisten gesehen, der zusätzlich zum DJ -Set trommelt, oder das ein Saxophonist spielt. Künstlerisch war der Raum dann etwas begrenzt. Wie habt ihr das gemacht?

Das war wirklich nicht einfach, aber interessant in jedem Fall. Ich möchte Sachen dieser Art auf jedem Fall weiterverfolgen. Trotzdem, so richtig gut funktionierte das nur einmal. Ein einziges Mal war ich wirklich Teil der Show. Meistens hatten wir aber Probleme. Es ist nicht leicht, mit einem DJ zusammen zu spielen. Sie haben viel in der Hand. Ich möchte damit nicht sagen, dass der DJ ein Selbstdarsteller ist. DJ Sayko ist ein sehr guter Breakbeat und Hip Hop-DJ, er kann gut improvisieren. Aber es ist ein Problem, wie füllig ist der Sound und wie kann er auf den Instrumentalisten eingehen. Er hat auch einen ganz anderen Bezug zum Publikum gegenüber mir.
Sayko begann mit Scratchings und fand einen Rythmus. Ich setzte mit einigen Melodien ein. Vom Beginn des Sets hing schon viel ab, sowohl bei mir als auch bei DJ Sayko. Auf den Rhythmus gehe ich dann mit meiner Bassdrum ein. Sowohl Sayko als auch ich spielen dazu Sounds ein. Beispielweise Vokal-Samples oder etwas von meinen Sequenzer, den ich über das Schlagzeug ansteuere. Der Anfang der Show ist immer ein sehr interaktiver Teil. Danach ist es aber so und das meinte ich vorhin, dass eher ich reagiere.
Es gab da ein lustiges Ereignis. Die Breakbeat Sachen sind ja an sich schon sehr schnell, wenn man sich noch vorstellt, es von Hand zu spielen. Einmal spielte er eine Platte auf +16 Geschwindigkeit, wohlgemerkt ein Breakbeat-Stück. An dieser Stelle hatte ich ein Problem. Ich habe das anfangs nicht gemerkt, aber der Sound war wahnsinnig schnell- wie sollte ich da folgen, dieser gebrochene Rythmus und ich mußte ihn mit meinen Spiel beibehalten! Es war ein Fehler von Sayko, er hat nicht gemerkt, wie schnell das Stück lief, oder ihm war dies nicht bewußt.
Ich werde sicher auch in Zukunft mit DJs zusammenarbeiten. Ich habe zum Beispiel noch Kontakt zu einem Typen in Brno, allerdings raucht der auch ziemlich viel Gras. Mal sehen, was wird.

Zonic: Der polnische Saxophonist Adam Pieronczyk hat mich bereits auf diese Frage angesprochen. Er wollte ein Projekt mit einem DJ machen. Saxophonist und DJ, das mag funktionieren, aber ich wußte, das gerade Adam nicht einfach über ein DJ-Set improvisieren will. Ich kann mir vorstellen, dass es sicher schwierig ist, mit vorproduziertem Sound zu arbeiten. Adam hat am Ende ein Projekt mit einem Elektro- Instrumentalisten gemacht. Viele im Jazz-Bereich stellen sich das ja eher als eine Zusammenarbeit mit dem DJ vor.
Was ich bei dir eben interessant finde: den Sound, den du gefunden hast, halte ich für eine der besten Fusionen zwischen den zwei Klangkreisen. Er ist nicht nur technisch, aber auch nicht kitschig oder, wie oft, zwanghaft, sondern er hat verdammt viel Atmosphäre und Spannung. Drumtrek eben auch für Beatnicks.
Ich möchte noch über das Duo Fajt - Borisova reden. Es hat ja endlich geklappt und ihr konntet in Leipzig spielen. Letztes Jahr gab es ja einige Probleme an der Grenze...

Pavel: Stepanida Borisova wurde kein zweites Mal nach Deutschland gelassen und wir mußten nach Prag zurückfahren. Da sie nur ein Single-Visum hatte, mußten einige Konzert hier ausfallen. Irgendjemand in Moskau war zu faul und wollte kein Multi-Visum ausstellen. Auch in der Deutschen Botschaft in Prag ließ man nicht mit sich reden. Es war schade, da wir zuvor in mehreren Ländern Europas gespielt haben.

Zonic: Die Konstellation des Duetts mit einer Sängerin ist sehr typisch für dich. Der Schlagzeuger Pavel Fajt hat schon mehrmals im Duo mit Vokalistinen neue Wege beschritten. Du bist bekannt geworden im Duo mit Iva Bittova, dazu ein anderes Projekt mit Anna Holmer und jetzt mit Stepanida Borisova. Was ist die Faszination an diesem ungewöhnlich minimalistischen Spiel?

Für mich passt es einfach gut zusammen, Schlagzeug und Vocals. Es sind zwei unterschiedliche akustische Ebenen und Frequenzen, die da zusammenfinden. Sicher ist dies auch eine Frage, wer miteinander spielt.
Ich glaube, dass gerade der mystische Gesang von Septanida sehr gut zum Schlagzeug passt. Zum einem bekommen die traditionellen Lieder, und Stepanida trägt nur Traditionals aus ihrer sibirischen Heimat vor, durch die Schlagzeugrhythmik eine eigene Dynamik. Sie haben aber noch den Raum, um sich in ihrem Ausdruck und ihrer Ursprünglichkeit zu entfalten. Das finde ich das Interessante daran, keines der beiden Elemente überlagert das andere.
Wir trafen uns in Budapest. Wir spielten beide auf einem Hungarott-Festival und sie war bei meinem Konzert anwesend. Auf dem Festival spielte sie mit einem traditionellen, rituellen Projekt aus Russland, ich spielte das Drumtrek Programm. Danach sahen wir uns in Prag wieder, etwas später, sie trat mit dem Projekt auf, da habe ich sie live gesehen.
Eigentlich ist sie Schauspielerin im Theater in Jakutsk. In ihrer Heimat singt sie eigentlich gar nicht. Sie ist als Sängerin bisher nur im Ausland aufgetreten.

Zonic: Daher hat sie ihre Ausdruckskraft... Zeitweise erinnerte ihre Darstellung auf der Bühne an Projekte von Björk. Ihre rastlose Mimik und Gestik, so als wäre sie in einer eigenen Welt gefangen. Erschrockene Blicke, Variation zwischen laut und leise, das Mythische...

Sie sieht ihren Auftritt als Ritual an. Die Stücke, die sie vorträgt haben einen schamanistischen Ursprung. Sie lebt diese Funktion aus und versucht sich in diese Welt hineinzuversetzen. Das heißt, in der Musik ist eine Menge traditionelles Gefühl und die Mystik der Natur. Diese Spannung reizt mich natürlich.

Zonic: Ich würde gerne noch fragen, was die Inhalte ihrer Stücke sind, glaube aber, dass würde noch sehr weit führen. Abschließend noch die Frage: Wer ist denn für das Cover auf der Drumtrek-CD verantwortlich.

Pavel (lacht!) „Why, it´s a standard work, isn´t it?

Zonic: Ja, schon klar...

It was done by two graphic artists from the faculty of art in Brno.

Dĕkovaru, Mr. Fajt

Copyright © 2006 Zonic