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Polskavantlectrica: Mik Musik

unbekannter Autor

Mik Musik ist das kleine, aber äußerst, besonders in letzter Zeit, umtriebige Label von Wojt3k Kucharczyk, ein paar eifrigen Zoniclesern eventuell kein Unbekannter mehr, schließlich spielte er als Perkussionist bei den Acoustic Folk Ambient- Meistern von pAThMAN in Heft 11,5 seine aktive Nebenrolle, bei der auch auf sein Molr Drammaz- Projekt, das er zusammen mit Schwester Asia betreibt, und andersweitige Klang- sowie Bild/Wort- Kunsttätigkeiten verwiesen wurde. Mittlerweile hat sich hier einiges getan, die polnische Avant- Elektronik- Szene wächst insgeheim vor sich hin und in einigen Medien und Vernetzungsstellen westlich der Oder-Neiße-Friedensgrenze gibt es auch so etwas wie langsam steigende Aufmerksamkeit, die Rede geht von DeBug-Reviews und, da schwingt bei Woit3k eine Portion Stolz mit, A-Musik hat sich partiell etwas der Vertriebsfrage angenommen. Mik Musik arbeitet am Rande der Wahrnehmbarkeit, ganz Supra- Indie mit selbstverfertigten Cd- Roms, die Auflagen sind oft nur mit 111er-Obergrenze angelegt, das blöde Attribut „liebevoll“ geistert durchs Geschehen, anwendbar auf Soundetailismen wie Covergestaltungen, „hingebungsvoll“ hätte aber sicher auch seine Berechtigung. Liebhaberstücke also, man sollte eine Liebe für abseitige Elektronica mitbringen, für Schwierigklang, Experiment, Geräuschkunst, Betonung durchaus bisweilen auf letzterem Wortabschnitt. Das kann jedenfalls in dieversen Ausformungen enervierend krachen oder verstörend unstrukturiert Unform- Töne spucken, aber genauso clicken und plockern, wie es minimal-elektronische Norm ist, zumindest Normalität.
Zuerst zum Kernstück, den Molr Drammaz, die früher auch mal auf einem anderen interessanten, aber gern auch etwas der okkulteren Ecke zugeneigten Label, nämlich Obuh aus Lublin, veröffentlichten. Hier nun gibt es zum einen das doppelte Kooperationsalbum mit Neurobot, einer anderen wichtigen Experimentalformation Polens, „l.i.v.e.ev.i.l.“ ist der auf Mik Musik erschienene, der andere kommt auf dem Neurobot- Label. „Recorded l.i.v.e. / remixed e.v.i.l.“, der Sound ist vor allem letzteres, wirklich bösartig, störattackistisch, destruktiv, dazu teils das ewige Dahintrommeln von Wojt3k K. und das beängstigende Singsängeln von Asia K.... Höllensausen, das dann auch vor Igor Strawinsky nicht halt macht und später in freies Gefiepe, Rauschen, Summen und Dröhnen und anderssoundliche Klangeinheiten übergeht, für deren verbale Entsprechung meine sprachwortschatzliche Phantasie gerade nicht reicht. Zum anderen gibt es von den Molr Drammaz allein „Boazeria“, das bei weitem disziplinierter kommt, stark mit klassischer Musik entnommenen Samples gefüttert, so jedenfalls der Anhörschein, ich höre Klarinetten, Geigen oder auch Waldhörner und dann eben harsche bis zarte Beats, schrill schneidende Elektrikflächen und Kleinteilsounds galore, über- wie untergründig, alles etwas streng in Formation, manchmal aber eben auch Disformation, auf jeden Fall aber eher Dysfunktionale im herkömmlichen Floorsinne. [higherlowerslowerfaster], dies der Subtitel, so kann man´s natürlich auch benennen. Die CD wird worldwide von A-Musik vertrieben, die ersten 800 Exemplare sind dem slowakischen Kunstmagazin "Vlna" beigelegt, es ist dies der erste nicht limitierte Release des Labels, wiewohl versprochen wird, dass wertsteigernd versucht wird, wenigstens jede CD einmal zu berühren. Retro*Sex*Galaxy sind besagter Wojt3k und ein Mensch namens Josiph S., die auf dem neuesten Werk „Dispop“ ihren technischen Tribute zollen, nämlich dem Yamaha PSS 280, ein Keyboard, das sie seit Mitte der 80er in Benutzung haben und auf dessen brachial gegenfunktional in Anwendung gebrachte Presets auch all die Titel zurückgehen, die da ganz im illusionsvoll allseitigen Alleinunterhalteranspruch 20 verschiedene Entertainment- Stile aufgreifen, von „rhythm&blues“ über „shuffle“ bis zu „lullaby“. Schön destruiert, effektreich auf minimalste Andeutungen reduziert, ein sehr unterhaltsames Stück, fast schon humorvoll zu nennen, mit dunkler Note vielleicht. Je nach Hörwinkel. Einen sehr erweiterten muß man schon aufweisen für „Wabienie Dziewic“ von Sebastian Buczek, der hier Materialklangforschung betrieb, u.a. Bienenwachs zum Tönen gebracht hat, eine sehr eigene Art Dubplate, dazu noch eine gehörige Portion Shellac- Noises (das Material, nicht die Band!). Knirschen, Brummen, Flackern, Surren.. ein ganz großer dumpfer Geräuschbeutel für die härteren anti-musikalischen Hörfreunde. So „schlimm“ ist´s mit dem Rest nicht. Paul Wirkus (sonst bei der Post-HC/Post- Rock –Band Spokój und solo unterwegs, auch Ex-Mapa) und Uwe Schneider (Ex-Bassick) geben auf „3/5/1“ beispielsweise eine sehr disziplinierte Minimal Musik zu hören, in Köln am 03.05.01. live an Drums, Cymbals, Bass und Effekten erarbeitet, ein eruptionsfreies Klangfeldschweben von licht bis energetisch geballt. 8rolek dagegen klackert sich auf „Plak Mechaniczny“ durch 8 unbetitelte Einheiten, über düster drängendem Untersound immer genug Schnipsel streuend, oft die Schichtung noch slightly konterbetönend, damit auch ja keine oberflächliche Harmonie und Zielgerichtetheit für zu lange Strecken aufkomme, auf jeden Fall aber das funktionsfähigste Exemplar im Sinn eines Fast- Nebenbei, nicht total Konzentration bis zum K.O. fordernd. Wojt3k als alter Spracheuphoriker hat da folgende Bezeichnungshilfen in die Aufmerksamkeit zu streuen: experimental-electronica-glitch-pop¸ mikrofunk (/warpedpunk/), disneyskunk (/anarchogunk/), noisyclick (/pointdot/). Aha. Schließlich Deuce noch als wohl neuestes Produkt, CD-R noch ohne gestaltete Hülle und Beschriftung, daher noch bezugsfreier, ergeht sich mit „Not In The Kitchen“ etwas mehr in Rhythmik, gern auch kontrarhythmisch gegenläufig, die zu zerstören und zerschreddern kein Anlass ungenutzt bleibt, und zudem spielt mein CD-Player mal wieder mit bzw. nicht: er hat sein Problem und mixt seine eigene Variante, die ich teils für genauso spannend halte im maschinellen Mut zur kaputten spontanistisch geänderten Reputation des Klangmoments. Es sollte einem halt nie zu leicht gemacht werden bzw. man sollte es sich nicht zu leicht machen, in diesem mehrfachen Sinne verkürzend: mehr Mut zu Situationen mit sogenannter schwieriger Muzik, zu: Mik Musik. Mehr davon, bitte. Mehr Situationen auch! AP
(mehr Worte für diese Musik genauso...)

Mehr:
www.molr.terra.pl
www.mozg.art.pl/retrosexgalaxy
www.a-musik.com

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