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Barbarmarokko

Johannes Paetzold

i. Z´i-Tat (Ersetze "Jamaika" durch "Marokko").
"Facts? About Jamaica? Aha I love when the country people say there are no facts in Jamaika. It sounds so poetic and spooky, but they´re absolutely right, of course. Because there really aren´t any, when you think of it. Not a one." (Chris Blackwell, Firmenchef von Island Records im Jahr 1982).

ii. Marokko 4.-8.Okt 95.
Jedesmal wenn ich mich nach Aisha Kandisha´s Jarring Effects und der Herkunft ihres Bandnamens in Marrakesch erkundige, bekomme ich von meinen Gesprächspartnern einen arabischen Satz als Antwort, der eine Verböserung der eigenen Situation vermeiden soll. 1001 verschiedene Geschichten höre ich zu Aisha Kandisha, übereinstimmend nur: Sagenhafte Dämonin mit zwei Kamelbeinen, die den Menschen üble Streiche spielt. Dazu Dictionary "Jarring": "mißtönend, schrill, unangenehm". Von der Band hatte in Marrakesch niemand gehört.

iii. Enzy-Klops.
Das antike Mauretanien kam um 40 n.Chr unter röm., 429 unter wandal., 530 unter byzantin., um 700 unter arab.Herrschaft. 1496 besetzten die Spanier Melilla, 1580 Ceuta. Bis ins 19.Jahrh. gehörte M. zu den nordafrikan. Seeräuberstaaten ("Barbaresken"). Seit 1904 beanspruchte Frankreich die Vormachtstellung in M. Zum Schutz dt. Wirtschaftsinteressen in Süd M. wandte sich das Dt.Reich gegen die französ- Ansprüche (erste "M.-Krise", beigelegt auf der Algeciras-Konferenz von 1906). Die nach der Besetzung von Fés durch die Franzosen (1911) entstandene zweite "M.-Krise" (->Agadir) wurde durch das Marokko Kongo Abkommen vom 4.11.1906 beendet; das Dt Reich erkannte die französ.Vorherrschaft an. 1912 wurde M. bei Aufrechterhaltung seiner Einheit unter dem Sultan (Scherifisches Reich) eingeteilt. ... Seit 1945 Unabhängigkeitsbewegung, ... seit 1957 ist M.Königreich. Es unterstützte die alger.Befreiungsbewegung. (in: Der neue Reader´s Digest Brockhaus, Zürich 1973, persönliches Geschenk von Tante Babette).

iv. Bern-erity I.
Barbarity Plattenfirma, Firmensitz Bern/Schweiz. Anfang 90er Jahre Veröffentlichung von "Aisha Kandisha´s Jarring Effects: El Buya".
Die Presse:
"...Erste-Sahne-Mülltonnen-Rai.."
"...woozy elegance, reminiscent of both Adrian Sherwood and the Mad Professor..throbbing Castillian Guitars, Arabic Chants..."
"...Garage version of Khaled..."
"...Premiere des Labels, das weitere Veröffentlichungen im Bereich Core Rai, Experimental Orient, House, Shabee, Gnaoui, Marrakshi Post Punk & Arabic Rap ankündigt..."
"...Moroccan Gnawa Music run through a meat grinder...accoustic music of ouds, darbuka, violins and voices was recorded in North Africa..."
"...Linkshänder-ge-scratche am Ende der Platte. Absoluter, brillianter 3.Welt Trash!" (???!?)

v. Bern-erity II.
Pat Jabbar El Shaheed - sicher kein Marokkaner - nimmt Anfang 90er mit marokkanischen Musikern das Album "El Buya" auf. Von Anfang an bewußter Verzicht auf Gesichtstum. Abstrakte Ornamente ganz im Stile des Islam, der keine Propheten abbildet, verzieren das Cover. Journalistenworkaholics übersehen Album daher beim ersten Forsten durch die Neuheiten der Woche. Ich mache keine Ausnahme. Irgendwann holen Aisha Kandisha´s Jarring Effects mich doch zu sich. Daß mich AKJE - und fast alle weiteren Barbarity Veröffentlichungen - sofort einfangen, ist keine Frage. Aber was war eigentlich meine erste spontane Reaktion auf AKJE? Mein Gedächtnis anstrengend: Die Selbstsicherheit und Vertrautheit... mit der sie Musiktendenzen der Gegenwart im Westen zu ihren eigenen Bedingungen benutzen. Von daher sind alle Etiketten wie "Garage-Khaled" oder "Marrakshi Post Punk" albern wie alle Kategorisierungsversuche, aber gleichzeitig auch richtig. Barbarity gibt seine Identität nicht beim Eintritt in den Westen an der Garderobe ab, sondern schaut, was auf der Tageskarte an Stärkendem und Schmackhaften zu finden ist. Big Town Noises, Rave Sounds, gesprochene Messages, Dub Reggae, alles situationistisch schnell gebraten und aufgetischt. Der Kellner zeigt sich nie. So wie: Dub dabei und ab dafür.

v. Marokko Männer.
Werden bevorzugt von Göttin Aisha Kandisha ermordet. Übrig bleiben: Najat Aatabou - The Voice of the Atlas (Globestyle Records). Chaba Zahouania - Nights Without Sleeping (Mango).

vii. Zugvögel I.
Zahl der Ausländer in Marokko im Jahr 1984: 60 000. Fester Wohnsitz in Marrakesch: Paul Bowles. Transit oder auch ein bißchen länger: Brian Jones, Paul Auster, Bill Laswell, Joe Orton, Orson Welles, Bruce Chatwin, William Burroughs, Brion Gysin, Jimi Hendrix, Dissidenten, Neckermann Touristen.

viii. Zufallsketten?
60er/Burroughs-Tangier-Junkie/"Naked Lunch"/Cut Up Technik/Marokko.

Burroughs/Jamaika/60er/Reisen/Kingston//Burroughs/Lee Scratch Perry/Dub.

90er/Schweiz/Wohnort Lee Perry/Barbarity-Bern/AKJE/Burroughs-Material-Bill Laswell.

ix. Bern-erity III.
AKJE/Shabeesation
Ahlam/Revolt Against Reason
Oujda-Casablanca/Introspectives Vol.1
AKJE/El Buya
Ahlam/Acting Salam
Amira Saqati/Reptiles on Majoun
AKJE/`L Haoua

x. Zugvögel II.
Casablanca. ab Tegel: 660.-/Marrakesch 750.-/ (in: Zitty, Berliner Stadtmagazin, 10/96)

xi. Unterbewußtsein.
Alten Legenden zufolge ist die weiße Rasse - so William Burroughs - aus einer 30.000 Jahre zurückliegenden Explosion hervorgegangen, und zwar in der Wüste Gobi. Das Endstadium einer tchnologisch überfrachteten Zivilisation. . Wüste Gobi. Bevölkerung mit Technologie vernichtet. Überlebende Sklaven. Strahlen zu Albinos mutiert. Wanderschaft, Persien, Türkei. Andere nach Westeuropa, in Höhlen niederließen. Europäer/Amerikaner Nachfahren. Burroughs: Meiner Meinung nach Höhlenerfahrung nur von Weißen gemacht von entscheidender Bedeutung. Indische ohne Höhlnerfahrung. Araber weiße in " ", muß sie aber davon ausnehmen. Psychoanalytiker, marokkaner anaylsiert. behauptet: Kein Unterbewußtsein. Ihre ganze innere Struktur anders.

xi. Maroccan Grooves ohne Barbarity.
Dissidenten und Lem Chaheb - Sahara Elektrik (Deutsch marokkanische Freundschaft).
Hassan Hakmoun - Trance (New York Style)
Hassan Hakmoun - Gnawa Music of Morocco (True Berber Style)
Morocco - Crossroads of Time (Das Buch, die Trance, die CD, die Firma Ellipsis Arts)
Rimitti - Cheikha (Robert Fripp, Flea von Red Hot Chilli Peppers, etc...eigentlich mehr algerisch...)
Apocalpyse Across the Sky - Master Musicians of Jajouka.
Brian Jones - the Jajouka Album (95 wiederveröffentlicht).
Gnawa Maalem - Tiktou (neues Sakti Label!!!).

xii. Berni-ity IV (Selbstdarstellung).
1995 ist das Jahr, in dem wir der Jugend zeigen müssen, daß die Zeit gekommen ist für die Identifikation mit unseren eigenen kulturellen und religiösen Wurzeln, darzustellen, daß der Islam die reinste Form von Liebe sein kann...und nicht, wie es einige Massenmedien im Westen darstellen wollen, eine fanatische, aggressive, frauenunterdrückende Machowelt.

xiii. Euro-Amerikablanca. "Der Beginn einer wundervollen Freundschaft?" ... Inchallah.

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