Der 16.11.2001 sollte ein denkwürdiger Tag für Reggae in Mecklenburg- Vorpommern werden.
Smoking Tuna Sound International luden zum Birthday Bashment auf die MS Stubnitz, fünf lange Jahre galt es zu feiern für den Rostocker Dancehall Sound, der wohl zurecht als das führende Sound System im Bundeslande zu preisen wäre (wenn auch dokumentarisch belegt Al-Haca der Titel des Senioren zusteht...), was (vor allem kontemporäre) Kompetenz in Selection und versierte Jugglinggeschmeidigkeit anbelangt, das sei relativ neidlos zugestanden. Big up! Respekt, eben auch für fünf lange Jahre Aufbauarbeit, nicht zuletzt als Booker/ Veranstalter, immer auf der scharfen Kante zur überbordenden Frustration durchs elendige (Verlust-)Geschäft balancierend, gerade was die Heimspiele anging... . Aber holen wir nicht zu weit aus, kein allzu detailliertes und doch nur projiziertes Bild von Reggae am Rand, vielleicht mal später, das Geburtstagsgeschenk war jedenfalls sehr geschmackvoll ausgewählt, man beschenkte sich selbst mit Pow Pow Movement und Gentleman, Kölner Legenden beide, wahre Reggaeheroen alldieszulande, Urvorkämpfer...- mit einer eben mehr als doppelt so langen Historie. Partygaranten, möchte man meinen und man meinte richtig, zuletzt ganz erleichtert und doch völlig ungläubig ob des Geschehens, denn nicht nur die Publikumsquantität entsprach den Anforderungen, nein, die Luft brannte, wie dies wirklich noch nie zuvor passiert war. Bashment im ganzen Sinne des Wortes, ganz real, mit allem, was nicht nur den Konventionen nach dazugehört: Hüpfen und Armeschwenken, Mitgröhlen und Feuerzeuge, Forwards und Rewinds – das ganze Dancehallprogramm. Ganz zu schweigen (bzw. gar nicht) auf der anderen Seite, hinter den wheels of steel und mics, von der durch Ingo zu verantwortenden Selection voll wertvoller Pow Pow-Dubplategranaten und allgemein - im Handel- käuflicher konventioneller Vinyl-Wunderwaffen, dem sympathisch aufpeitschenden Entertainment von Devon in MC-Funktion und nicht zuletzt der bewährten Unentrinnbarkeit des Gentleman´schen Charisma, das da in Präsenz und Skills unfehlbar wirkte. Es hatte: Boooom gemacht- endlich. Endlich mal wirklich und nun hoffentlich: öfter! Es wäre allen Seiten zu gönnen..., den Sounds und der Crowd, bevor nun wirklich alle gen Berlin exilieren.
Pow Pow und Gentleman dürften wohl weniger überrascht gewesen sein (sieht man eventuell Gentleman-seits von leidigen M/V- Erfahrungen ab, die man teils miterleiden durfte wie den legendär-peinlichen, nun schon Jahre zurückliegenden Abend auf der Bergener Open Air-Waldbühne, als er mit Silly Walks die nach dem vorher schon schwach besuchten wie reaktionell bedachten Absolute Beginners-Auftritt verbliebenen letzten 40 Besucher noch zur Party zu peitschen versuchte – was auch fast gelang...), irgendwie darf man auf dieser Ebene der Qualität mittlerweile auch erwarten, dass ein etwaiges Äquivalent von der Massive zurückgegeben wird, was Energie und Spass angeht- oder halt: Vibes. Das war natürlich nicht immer so.
History time: Setzen wir hier mal den Bekanntheitsgrad von Gentleman etwas voraus, vermittels der Mitgliedschaft zum Freundeskreis - zuletzt in Kollaborationen mit Afrob und Sekou auf deren Alben- bereits mit gelegentlicher Allgegenwärtigkeit gesegnet. Die nun ganz neue Qualitäten wie Quantitäten erreichen wird, siehe u.a. Riddim #2-Coverheldrolle oder, auf ganz anderer (Miss-)Verstädnisebene eben auch bei sowas wie Viva Interaktiv, denn dieser Wochen nun gibt es bei Four Music sein lang erwartetes zweites Album „Journey To Jah“, eines, das sehr viel eher Modern Roots ist, eher jah-philosophische Tiefe im Sinne einer allgemeinen spirituellen Suche darstellt, sehr viel weniger dancehallige Partyoberfläche (sowie dafür vielleicht auch: philosophische Partytiefe), adäquat der erreichten Gentleman´schen Reife, durchaus auch der persönlichen des jungen Vaters eines germaicanischen Sohnes. Ein persönliches Album der Annäherung an Gottesvorstellungen, ein nicht nur darin den 1999er Vorgänger „Trodin´ On“ weit übertreffendes, ja, ganz überschwenglich: groß(artig)es Werk. Ein wichtiger wurzelwärtiger Sound-Schritt für Reggae in Germanien, auch in der selbstverständlichen Art, wie hier mittlerweile mit den ganz gewichtigen Artists, Musikern und Produzenten zusammengearbeitet wird, denn da haben wir: Bounty Killer, der auf seinem aktuellen Album „Blazin Fire“ ja auch sehr roots-gestimmte Capleton auf dem bereits als 7“ kursierenden „Fire Ago Bun Dem“ („A Just Di Fire“), Luciano mit Mickey General, Junior Kelly, Jack Radics, Jahmali und Daddy Rings, mit dem Gentleman wie schon vor zwei Jahren auf Tournee gehen wird, sowie den Familienclan von Morgan Heritage auf der Singers/Deejays-Seite, letzteren plus die von Ur-Saxophon-&Songarrangeurs-Legende Dean Fraser angeführte Firehouse Crew und die britischen Drums&Bass-Omnipräsenz´ler Mafia & Fluxy sowie den alten Wegbegleiter von Silly Walks und Roger & Shorty mit ihrer Digital Diamond Crew bei den Players, schließlich soundentscheidend den Produktionsheroen und Langzeitlabelbetreibern Bobby ‚Digital’ Dixon und Black Scorpio an den Reglern, die sich nicht zuletzt auch in den Tuff Gong Studios bewegten. Tusch! Und zudem, wie außerdem die komplexe Verschränkung der Zonic-Themen unterstreichend, gibt´s neben der Richie Stephens-produzierten Auskopplungs-12“ „Leave Us Alone“ je noch einen für die hartkernig-energetischere Tanzflächenbelegschaft produzierten Dancehall-Tune von Pionear aka Lanity (bitte blättern) bzw. (siehe weiter hier) dem gerade als Selecta gelobten Ingo Rheinbay vom Pow Pow Movement. Tusch 2!
Das des Gentleman´s Weg eben auch über Pow Pow Movement als eines der ersten Sound Systems in Deutschland ging, zudem in der Heimatstadt Cologne, ist dagegen nur den Eingeweihteren geläufig, eher noch kann sich der eine oder andere eben an seine Dauerrolle beim Hamburger Sound System Silly Walks erinnern, die ebenfalls grundlegende Aktivisten der deutschen Dancehall-Ur&Frühgeschichte darstellen, irgend-demnächst übrigens auch mit erstem eigenen Album auf Four Music präsent (funktionierendes Netzwerken halt...). Diese nun hatten ihren 10. Jahrestag ausgiebig und in sympathischer Bandbreite (von den Neo Dub-Hools Iration Steppas über Original Jungle mit Sebel und Apollo bis zum eigentlichen Reggae-Jetzt) Anfang des 2001er Sommers begangen, inklusive Jubiläums-T-Shirt, Pow Pow hingegen scheinen da frei von Historisierungsanwandlungen, es gab nicht einmal eine Anniversary-Party...- es ist einfach Zeit vergangen, in der hart an sich und der Reggaekulturentwicklung gearbeitet wurde. So läßt man den Ruhm wohl auf sich zukommen, es ist langsam Zeit zum Früchteernten, der erreichte Stand nach internen wie internationalen Vergleichswerten ist relativ unangreifbar, bzw. wenn, dann nur auf allerhöchstem Soundclash-Niveau anfechtbar. Nicht umsonst waren die Kölner 2000 als erstes kontinentaleuropäisches Sound System abgesandt zum World Clash in New York, auf dem sie zwar scheiterten, aber das ist zum einen ganz Schlingensief´sche Chancenverwertung im Sinne von Erfahrungsmehrwert und zum anderen den Bedingungen geschuldet, teils selbstverschuldet, denn zum Pow Pow´schen Auftrittskonzept gehörte dort auch bewußt der Verzicht auf den Einsatz von Devon als in Deutschland lebendem Jamaicaner, der eventuell etwas härter/aggressiver geshoutet hätte als der etwas zurückhaltendere Backra, und somit eben das selbstbewußte Auftreten als komplett weißer, eben deutscher, meinetwegen europäischer Sound (was sicher weniger Exotismus-Punkte mitbringt als die Japaner von Mighty Crown- deren Qualitäten natürlich auch über jeden Zweifel erhaben sind..., kein falscher Zungenschlag, bitte sehr). Und wenn alle Gerüchtekücheninterna stimmen, gibt/gab es ein DJ-Kicks-Angebot von !K7, was wohl genug auch über den Stellenwert von Dancehall im Lande aussagen könnte, bei uns übrigens schon mal für längere Streitgespräche über die schwer zu lösende Frage der Tantiemen auslöste: kann man Dubplates, wiewohl bereits schwer bezahlt oftmals, auf diesem Veröffentlichungsniveau benutzen, als wäre es ein Mixtape, nach dem diesbezüglich keiner fragt, wie steht´s zudem mit den Riddims in dieser Hinsicht? Womit wir bei der ersten Auslassungssünde meinerseits wären, denn zu der Frage kam ich im lockeren (auch fast Streit-) Gespräch gar nicht mehr, lassen wir sie also mal zur Diskussion hier im Zonic-Raum stehen. Überhaupt fehlen die ökonomischen Fragen, die infrastrukturellen, denn bei aller Doppelbooking-Aktivität - man war zeitgleich zu Rostock auch in Köln im Petit Prince präsent, seit 8 Jahren dort als Residents und Gastgeber in Funktion- und sonstiger Umtriebigkeit stellt sich schon manchmal die Frage, woher all das Geld für die Specials kommt, inwieweit Investition mit Nutzen in Verhältnis steht, bei allem Excitement, von dem wohl kaum abzusehen ist. Bzw. abzuhören. Nutzen meint hier auch: wie wichtig überhaupt ist über einen zwar anwachsenden Kreis von Eingeweihten das Dubplatebiz überhaupt, wie wichtig sind Clashes sowieso, dieser Diss-Tanz, was sagen diese irgendwie dem Rummelboxen ja nicht unähnlichen Veranstaltungen über den Stand eines Sounds und einer Szene aus?
Fragen, Fragen, Fragen.
Nicht gestellte teils zudem, leider.
Zu den anderen siehe hier:
Questions (Z) & Answers (Ingo: I / Devon: D / Gentleman: G ) & [Kommentare]
Z: Pow Pow, das sind die obligatorischen Schüsse in der Dancehall... Klingt nach Militanz, seid ihr ein militantes Sound System?
[Lachen im Raum, Ja-Rufe]
I: Ja. Nein. Natürlich nicht. Der Name ist so entstanden, das es einen Flyer gab, auf dem stand das so drum herum..., wir waren nicht so drauf, das wir sagten, wir machen jetzt Sound und wir suchen jetzt erstmal einen Namen, sondern haben erst angefangen und der Name kam dann.
[laut seiner Aussage in Riddim#1 stand ein Pow für Reggae, das andere Pow für Hip Hop.. soweit zum Urgrund, soweit auch zur Herleitung der DJ-Skills..]
G: Und auf arabisch heißt es: die Armee Gottes... [hahahah... der „bin im Laden“-„Witz“ durfte nicht fehlen..., aber schließlich hatte ich auch vorher die arabische Übersetzung von Al-Haca geliefert...checkt die 69.Sure dafür, aber das liefert- eben unweigerlich- einen guten Einstieg in ein weniger gutes Thema]
Z: Was sagen denn die Bobos zu den Taliban, gibt es schon Kommentarsongs?
[eine Frage, die sich provokant nicht nur wegen der Turbane stellt, sondern auch in fundamentalistisch-radikaler Hinsicht - bei aller offensiven und reggae-gegensätzlichen Lustfeindlichkeit, die von den Koranschülern in die grausamen Taten umgesetzt wurde. Andere Frage: was, wenn jene eben, so unwahrscheinlich dies klingen mag, von ihrer pervertierten Weltsicht gesungen hätten wie meinetwegen Nusrah Fateh Ali Khan...?- aber weiter im Fluß:]
I: Ich bin auch überhaupt nicht politisch interessiert, da bist du bei mir an der falschen Adresse
G: Ich war vor ein paar Wochen in Jamaica, und da gibt es schon sowas wie: dis I wanna name a thirld world war... und sowas. Ich denke mal, dass aber auch viele Jamaikaner betroffen wurden, die in New York waren, und deswegen ist der Unmut schon ziemlich groß, es gibt Intros wie „Bin Laden go an fuck yo mumma“, es werden schon Statements dazu abgelassen.
Z: Es gibt ja auch eine kleine verborgene Geschichte der Muslims im Reggae, Prince Buster wurde einer und Jimmy Cliff ja auch, gerade, als er durch „The Harder They Come“ zum Rasta-Reggae-Star werden sollte, das switchte dann ja u.a. deswegen auch auf Bob Marley über...
Zurück kurz zum Politischen. Reggae ist ja nicht unpolitisch gewesen, es ist ja zumindest immer eine Gradwanderung dahingehend.
D: Unpolitisch insoweit, dass wenn wir spielen, es nicht um Politik oder Religion geht. Wir schließen alles aus, was schlecht ist, aber das ist nicht politisch, auch wenn die Regierung Scheiße baut...
I: Natürlich hat Politik auch Einflüsse in Reggaemusic, da fließt alles ein, das ganze Tagesgeschehen, und in gewisser Weise ist natürlich alles Politik....
G: Wenn man sich nicht ein bißchen davon distanzieren würde, wäre es ja auch keine Musik mehr...
[Tanz & Dis-tanz]
Z: Es gibt ja verschiedene Modelle, was Musik oder Kultur leisten kann in dem Zusammenhang. Bei Reggae ist ja auch so, dass es immer ein starkes Zu- und auch wieder Wegbewegen in Sachen Politik gab, gerade so um 1980, nachdem die konservative JLP gewonnen hatte und dann auch noch Bob Marley starb, schließlich ja das begann, was heute so Dancehall genannt wird...
G: Ich glaube, dass man das nicht so stehen lassen kann, das Reggae viele politische Einflüsse hat, weil Reggae so breit gefächert ist. Typen, die eben nur über Pussy singen, was so unpolitisch ist wie nur irgendwas [was für mich schwer in Frage steht... politics of sex, gender questions], und dann halt eben Prince Buster oder Linton Kwesi Johnson. Dem entsprechend sind dann auch die Hörer so vielschichtig. Ich denke, dass, wenn wir als Sound oder Band auftreten, wir ein sehr breit gemischtes Publikum haben und wenn wir dann zu politisch sind, nicht alle treffen würden...
I: Ich denke, die Leute, die sich mit Reggae beschäftigen, sind auch total unpolitisch, dieser Hintergrund ist bei uns jedenfalls echt nicht gegeben. Ich bin für Life, irgendwie. Aber wir sind nicht aktiv in der Politik. Ich mach das, weil´s Spass macht, weil´s nice ist, weil´s Feelings gibt... Jeder hat seine Einflüsse, wenn einer sagt, mich interessiert der politische Hintergrund, was ich aussage usw., dann ist das sein Ding, das ist ja auch cool. Du kannst es auslegen, wie du willst, du kannst in jeden Lyrics etwas finden, was du auf deinen Style beziehst. Wir haben eine Message, aber das ist mehr about life & humanity,.. Leute und Leben und irgendwie Weiterkommen, Erfahrungen und natürlich Enjoyment, gekoppelt. Wenn du das erste Mal auf einen Dance gehst, dann hast du Bashment, dann geht’s du ab und tanzt..., wenn du aber weiter rein gehst und hörst dann Roots & Culture, dann kriegst du auch ´ne Message. Das ist schon wichtig.
Z: Es ist ja die Frage, was man mit Politik dann meint, wenn das Wort benutzt wird, geht es um Tagespolitik, auf die ich reagiere, vielleicht auch auf dem Dance, oder geht es ums Leben allgemein, das immer von Politik beeinflußt wird, darum, da es eben nicht nice draußen ist. Es doch oft auch eher ein Vibe, aus dem man dann politisch agiert...
I: Allein das Wort Politik ist für mich an Problems gekoppelt..., ehrlich gesagt, halte ich das ein bißchen fern.
Z: Dann stellt sich aber auch die Frage, wie wichtig denn überhaupt die Sprache dabei ist. Wo wir doch auch gerade die Deutschdiskussion haben- warum soll jemand deutsch singen? Der Grund wäre ja entweder ein besseres Rüberbringen von Inhalt oder es ist halt eine Marktfrage...
[„ Ja, wir singen für Geld, ganz egal, ob das den Soundbwoys gefällt...“ Dr.Ring-Ding & Manu Ranking]
I: Wenn da Message wäre in deutschen Texten, dann würde ich das sehr begrüßen, bisher kannst du mir keinen einzigen Text zeigen, wo irgendeine Art von Message drin ist... [hmmmm] Es wäre ja auch lächerlich, wenn da Selassie oder so drin wäre. Das sind meistens irgendwelche jungen Leute, die singen darüber, das die Girls nice tanzen, blablabla, für mich hat das überhaupt nix.
G: Zur Frage mit dem Verständnis: es mag sich paradox anhören, aber deutsche Texte sind manchmal ebenso schwer zu verstehen, wie Songs aus dem Reggae. Auf das Verständnis würde ich das allein nicht beziehen, ich glaube eher, dass man will, auch in Deutschland was Großes zu wollen, dass es aus Deutschland kommt: wir haben deutschen Reggae, unser eigenes Ding, wir sind doch hier, warum versucht ihr denn so zu sein wie in Jamaica...
Z: Da sitzt ja auch schon ein Mißverständnis, denn es ist ja sowieso kein 1 zu 1, darum kann es ja gar nicht gehen, oder wie seht ihr das?
I: Das sagt ja auch keiner: Ich denke, jeder soll das machen, wofür er die Feelings hat. Nur man soll auch die Wurzeln, die Roots der Musik respektieren und kennen, bevor man sich damit beschäftigt... Man soll sich wenigstens auskennen und nicht nur die Musik als Authentisches einfach nehmen und zu versuchen, was auf deutsch draus machen. Die Leute sollen machen, was sie wollen und wenn daraus wieder eine eigene Szene entsteht, schön - das unterstütze ich auch, wenn da was Gutes dabei ist. Man soll nur wissen, wo es herkommt und ich finde auch, dass den Leuten dort drüben der Respekt gebührt. Über Jahre ist diese Musik ausgebeutet worden-
G: Es kriegt immer noch nicht jeder sein GEMA-Geld...
I: Ich stecke da gerne Geld rein und unterstütze das irgendwie..., Vibes sind für mich Jamaica..., und Patois, eben Reggae music, die aus Jamaica kommt.
[Original Style eben, Vibes als der mystische Schlüsselbegriff. Bemerkt sei, man vergesse das Urflyer-Hip Hop-Pow nicht, dass da in der Dubplatekiste eben auch Tunes von MC Rene oder Afrob stecken und Gentleman hat gar schon ein Special auf Kölsch gevoiced. Devon meinte übrigens sowieso – wiewohl grundsätzlich kein Fan davon – , dass man es, wenn überhaupt auf Deutsch, dann eben in Dialekten machen sollte, und da hat er teils meine Zustimmung. In diesem Sinne warte ich noch immer auf Plattois- nu dänn man tau, soundbwoys/deerns...]
G: Vielleicht wäre es ja auch ganz anders, wenn wir heute anfangen würden, wobei ich es nicht glaube...
Man kann es denen doch gar nicht übel nehmen, die machen ihr eigenes Ding, die lernen halt den Sound von hier kennen. Aber als wir angefangen haben, ´rüber nach Jamaica zu fahren, da gab es hier noch gar nichts...
Z: Man kommt doch eigentlich zwangsläufig auf die Roots, wenn man es ernsthaft betreibt...Denkt ihr denn, das es wenigstens eine positive Rückwirkung hat, wenn sich die Leute nun über deutsch annähern, oder wird es doch verwässert?
G: Sowohl als auch, glaube ich.
I: Ich denke auch, früher oder später kommt man auf den Kern. Es ist auch eigentlich egal, ob du original bist oder nicht, wenn die Musik dich bewegt, dann ist es gut. Ob der jetzt auf Türkisch singt, ist egal, wenn der Vibe stimmt. Ich habe auch schon Stücke auf Französisch gehört, wo ich nix von verstehe, aber das kann trotzdem nice sein... das magische Wort ist VIBE.
Und wenn der stimmen würde, spielte er, nach Zögern zugegeben, wahrscheinlich sogar die deutschen Tunes. Vielleicht ja als ersten denjenigen, der vom Berliner Jung-Talent Jondo Son für das Silly Walks-Album auf Deutsch eingesungen wurde, einem wirklich beeindruckenden Sänger, der auch auf der Stubnitz unter Beweis stellte, dass da eventuell mal ganz Großes zu erwarten sein könnte. Sperrt die Ohren auf!
Gentleman als Vertrauensperson dazu:
G: Ich kann so ganz official sagen, von dem ganzen deutschen Kram, den ich kenne, von Jan Delay über Seeed usw., war es das, wovon ich am meisten geflasht war. Man konnte die Sprache erst gar nicht verstehen, erst wenn man genau hinhörte, irgendwie was ganz Eigenes, die Mega-Surprise an diesem Morgen. Ich glaube schon, dass da in den nächsten Jahren Einiges gehen wird.
Sein Wort in das Ohr des Gottes der Wahl, Ingo ist schwer pessimistisch, und Devon tangiert es in dem Sinne auch nicht, dass seine Kommunikation als MC entweder über Patois oder Englisch läuft, oder eben, und dies im entertainenden Sinne sowieso, über Body Language, älteste und internationalste Sprache, über nonverbales Mitreißen, über Show. Der MC als Mittelpunkt des Geschehens, was von Sounds wie Renaissance etabliert wurde, und irgendwie, wenn auch auf einem ganz anderen Level und Klanggeschehen, Dancehall an die absoluten Ursprünge anknüpfen läßt, als der MC, noch ganz in der Radio-DJ- Tradition, zumeist Overtalking praktizierte, Kommentare und Kommandos gebend, heute eben in hardcore-mässiger Schreihals-Manier bis zum Überschreien (was mir manchmal auch schwer über sein kann..., wo bleibt da die Niceness?).
Aber kreisförmige Entwicklung, ständiger stilistischer Rückbezug, kreatives Revival, dialektische Archivplünderung, all dies gehört ja sowieso zu Reggae immer dazu, wie ja in gegeben moderner Fassung rootswärts eben äußerst gut auf dem Gentleman-Album zu behören. Schön auch, dass beispielsweise, so die Ingo´sche Beobachtung, eher das Tanzen als die Show mit allen Ingredenzien sich wieder in den Vordergruund schiebt. Jene Ingre-dance-ien seien sowieso nicht das Bestimmende, höchstens: nice Beiwerk, Extragabe, Zusatzebene, gern genossenes Sub/Nebengeschehen..., jawohl, werte Bescheidwisser-Soundbwoys!
G: Das ist eben allgemein eine Musik, wo es immer zurück und nach vorne geht. Da gibt es eine Zeit, wo wieder Studio One-Riddims nachgebaut werden, dann wieder eine, wo alle Conscious Lyrics singen, dann wieder eine Zeit, wo alle Slackness singen... Immer vor und zurück, das liegt daran, dass das Ganze schon so komplex ist.
I: Im Moment ist es wieder in, alte Riddims zu machen, nicht, weil die neuen nicht gut sind, sondern weil das Alte so geil war und man es zurück haben will.
[„Dancehall nice again, mi friend...“ Frankie Paul]
Dancehall im Moment hat für mich so einen Overhype bekommen, es wird einfach zuviel gemacht und darum geht es wieder zurück, die sind zu weit gegangen und haben zuviel zweit- und drittklassige Sachen gemacht. Darum gehen die Leute auf das zurück, was immer gezogen hat, alte nice Riddims. Da sind die Vibes direkt da.
So einfach ist das. Punkt. VIBES. Punkt. Bzw.: Ausrufezeichen.
Recht hat er auch, irgendwie. Aber auch nur: irgendwie. Bleiben, um mal dabei zu bleiben: „immer diese Widersprüche“. Wo stehen sich hier Form und Inhalt gegenüber, wo ist der Vibe ein Trotzdem-Vibe- wenn ich da an lustiges Mitgröhlen gegen Batty Boys/ Chi Chi-Männer und wie auch immer Homosexuelle da geheißen werden denke, auch an jenem wunderbaren Abend (verlegene Ironie zur Hand, Grinsen sowieso..., man selbst gar nicht unbeteiligt mittendrin, mitge-vibe-t, trotzdem...).
Direkte Vibes, es wäre so schön, wenn da nicht reality wäre, all das: „life & humanity“ (s.o.), da draußen.
Soviel zu störenden Zwischenfragen.
Ansonsten, ganz uneingeschränkt und direkt: GOOD VIBES!!!!!!!!
Meinetwegen auch göttliche.
„...good life with the good vibes
yu bredthren is bredthren
yu sistren is yu sistren
everyone want to reach there
don´t forget to love
please care aye“
Anthony B