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Diverse von A-nimal Collective bis Frank Z-ander
Kolumne: Mit Martin Hiller von A nach Z

Diverse

Mit Martin Hiller von A nach Z

Nicht nur Geschirrhandtücher brauchen Aufhänger. Auch Kolumnen. Geschirrhandtücher haben ihrerseits, weil sie anders rezipiert, vielmehr ja einfach nur benutzt werden, als solcherlei Fließtexte, den Vorteil, dass sie – ihrem i.w.S. Genäht-Sein geschuldet – zwar auch mindestens einen, jedoch nicht unbedingt einen roten Faden brauchen.
Für diese Kolumne soll jener sich nun aus dem Alphabet speisen - sich an seinen Buchstaben entlang hangeln, wie ein gut gelaunter Gibbon.

Die erste Sprosse: A wie Aktualitätsanspruch; A wie „Tier“. Das ANIMAL COLLECTIVE schickt seinem nächsten, im Januar erscheinenden, „Merriweather Post Pavilion“ betitelten Album eine EP voraus. „Water Curses“ (Domino) enthält 4 neue Stücke. Verwunderlich, da ihr letztes Album „Strawberry Jam“ doch gefühlt erst ein paar Monate her ist. Auf vorliegender EP zelebrieren sie, ihr loses Konzept der „environmental inspiration“ fortsetzend, ihren gewohnt verdrehten TripFolk-Eklektizismus, hier jedoch als kontemplativ-plätschernden Nachhall des Vorgängers, der sich auch schon ausgiebig musikalischer Waterbubbles bediente.
Das titelgebende Stück durchsetzt hektische Beats mit mehr oder weniger unverortbaren Field-Recordings und quirligem Geräuschgehüpfe im Stereo. „Street Flash“ triumphiert mit far-out Beach-Boys-Vocals und blubberig-mäanderndem Mittelteil. “Cobwebs” verklanglicht das spontan aufscheinende Bild einer fluoreszierend-grellbunten Unterwasser-Spinne, die ein Nest baut auf die gedankeninnere Netzhaut, um dann hineinzurutschen ins klaviergetragene Zeitlupen-Aloha „Seal Eyeing“. Kontrastiert werden die nautisch geprägten Kindergeburtstags-Klanglabyrinthe durch Avey Tares hochstimming vorgetragene Texte der Machart „they took my home // i'm in disoriented glee // they blocked the path that was connecting you and me // its a sticky case the more i move the less im free“. Die bisherigen Live-Darbietungen der Stücke des kommenden Albums lassen eine Weiterführung ihres seit dem konsensfähigen, „Feels“ von 2005 perfektionierten Stilmixes aus psychotischer Tropicalia, waldschratigem LSD-Folk und avantgardistischem Gospel-Ambient vermuten. Sie haben das geschafft, woran die Beta Band gescheitert ist. Während letztere sich nach ihren ersten drei fulminanten, folk-hoppistischen EPs und dem immer noch guten Folgling „The Beta Band“, sowie dem immerhin interessanten, weil bassmonströsen „Hot Shots II“ in einer Blaupause ihrer selbst verzettelten, nämlich als liebloser Neuaufguss Pink Floyds im bauchigen Trip-Hop-Gewand, feiert das Animal Collective mit jeder Veröffentlichung eine jauchzend-geile Klang-Konfetti-Party mit diesem entgeistigten, wohligen Twist ins Beetlejuice-Morbide. Beach Boys mit Kopfschuss und zerriebenen Hagebutten unterm Strickpullover. Eine Krankheit namens Morbus Hakuna Matata. Infektiöser Intellekto-Irrsinn mit harmonieverliebter Patenschaft im Pop, dem Rhythmusbewusstsein des aktuellen, afro-inspirierten Ethno-Indie-Hypes, als dessen Wegbereiter sie definitiv hervorzuheben sind, und dem in Eigenloop-Schleifen gezügelten und krautigen Rocksümpfen verwurzelten Freigeist á la Four Tet. Letztlich schlicht höchst audiophile Vergnügsamkeiten im Ohrenhirn.

Angenehm nachgewitterschläfrig sind die 10 Stücke auf "Tropism" (Western Vinyl/Own Records) von Bexar Bexar. Das Cover bietet das passende Foto zum Sound - ein Mann und ein Fisch auf einem Boot. Der Fisch ist nahezu genauso groß wie der Mann. Sieht aus wie ein Bild aus den Fünfzigern. Matte Farben, viel Licht. Ich glaube, bei dem Fisch handelt es sich um einen Barsch. Falls es so etwas gibt: babyelefantengroße Barsche. Nach Infos zum Menschen hinter Bexar Bexar, der Datierung des Fotos oder der Barschheit des Fisches sucht man vergebens. Lediglich eine email-Adresse verweist auf das texanische Label Western Vinyl. Da passen die somnolent plätschernden Ambient-Schleifen auch ganz wunderbar hin. Zwischen unaufgeregtem Lofi-Songwriter und elektronisch durchwirktem Cut-Up-Folk. Es ist eine schwüle Schwere in den Stücken, die dem Albumtitel Rechnung trägt. Keinesfalls pessimistisch oder dumpf-depressiv. Vielmehr katalysieren die Stücke mit Titeln wie "Unsettled and Unable", oder "Patterned Like Lovers" eine gesunde Betäubt- und Versunkenheit, die sich vielleicht auch bei ausgiebigem Betrachten von Abendsonnenflackern auf lauer See einstellt. (Ein Lanzenbruch für Rosamunde-Pilcher-Romantik in textkorsettierter Tonträgerbesprechung). Mit hypnotischer Langsamkeit schwimmen holzige Akustikgitarrenpatterns über laptopgenerierte Reverse-Drones und Soundscapes, wie Wasser, das sich an einen moosigen Bootsrumpf schmiegt. Die Zusammenkunft von analogen und digitalen Klangerzeugern ergibt ein selten organisches Klanghörspiel und ordnet sich zwischen Avant-Clicks&Cuts der Marke Staubgold und heimeligen wie heimischen fieldrecording-meets-folk-Kompositionen a la Ahornfelder. Während “Pres de la Lisiere” von Sinebag, erschienen auf letzterem Label, als septembersonnengelbes Audiopatchwork an der Schnittstelle zwischen Sound, Geräusch und Musik suburbane Spätnachmittagsassoziationen hervorruft, vergrößert “Tropism” in seiner schwappenden Zeitlupenrhythmik den Blick auf die Schatten und Spiegelungen im Sound. Wie apperzeptive Lichtfetzen im Augenwinkel.

Im aktuellen Rooster von K Records, irgendwo zwischen dem ernstgemeinten Neo-Hippietum der Little Wings und dem Art-Hop von The Blow platzieren Old Time Relijun ihr siebtes Album „Catharsis in Crisis“. Ein holzig-dreckiger Bastard aus No Wave, fiesem Hühnerdrecks-Blues der Jon Spencerschen Sorte, knochentrockenem Psychobilly und kaltschweissigen Fetzen psychotischer Träume. Durch blechtonnen-verhallte Gitarren, besenkammerfunkigem Standbass und stoische Schlagwerk-Rhythmen schürft sich Arrington de Dionysos Raubtierjammer-Stimme, darüber allem ein schimpfendes Saxofon in orientalisch mantra-haften Tonkreiseln. 14 abgedrehte Stücke aus der brennenden Gerümpel-Garage, die in ihrer musikalischen Ernsthaftigkeit an den vermeintlichen Klang-Klamauk Captain Beefhearts erinnern. Der speichelgeifernd pumpende Opener „Indestructeble Life!“ lädt zu wirr-virilem Veitstanz ein. File Under: „Confrontational Dance Music“ - so die Selbstklassifizierung der Band. Das entrückte Goth-Surf-Brett „Dark Matter“, das klingt als würden The Trashmen die Ventures mit bösartigen Halloween-Kindern im Keller einsperren, verebbt am Ende in einem unheilvollen Angesang der Dunkelheit. Ein knapp 40minütiger, furztrockener Freakout in Sachen Crank White Soul.

The Dodos aus San Francisco verbuchen ihr musikalisches Wesen bei Myspace unter „Happy Hardcore“. Vor gut 15 Jahren firmierten unter dieser Überschrift Projekte wie Dune oder Charly Lownoise & Mental Theo, die mit KirmesCore-Gassenhauern wie „Hardcore Vibes“ und „Hardcore Feelings“ elektronische Tanzmusik endlich vollständig dumpfbackentauglich machten. Heute sieht man ihre Namen manchmal noch auf vom Regen aufgewellten Hühnerschreck-Rave-Plakaten an Bundestraßenrändern hängen. Mit alldem, oder mit irgendeiner anderen zur Überleitung daher argumentierten Verknüpfungs-Pauschalierung auf der Basis musikalischer Kontemplation haben The Dodos wenig bis nichts gemein. Meric Long und Logan Kroeber schichten auf „Visiter“ in 14 Songs erfrischende Ideen von virtuosem Gitarre-Schlagzeug-Minimalismus ineinander. Der eine studierter Trommler mit Spezialgebiet westafrikanische Rhytmen, der andere mit Background im Metal. Beide also ein Faible fürs Perkussive, Rhythmische und soundstrukturell Tiefendiffizile habend. Die meisten Stücke breiten ihre repetitiv-hypnotischen Teppiche aus geschlagenen Akkorden und Tribal-Drums in Lauflängen um die 6-7 Minuten aus. Als lose Vergleichsbehelfnisse sei das sich ähnlichem, nämlich fast ausschließlich akustischem Instrumentarium bedienende Soloalbum „Now You Know “ von Doug Martsch (Built To Spill) genannt und auf die vergleichbare Dynamik von Okkervil River verwiesen – bei den Dodos allerdings, wenn auch ähnlich energetisch und holzfarben im Klangbild, entschlackter und ohne den offensiv pathetischen Gestus letztgenannter. „Paint The Rust, das noch recht gesittet anfängt, schraubt sich nach der airplayfreundlichen 3minuten30-Grenze zu einem geil-verdrehten, breitbeinigen Hillbilly-Blues-Brett mit fiebrigem Schlagzeug hoch, kontrastiert und unterwandert durch den klaren, in den Hintergrund gemischten Gesang von Meric Long. Das epische „The Season“ mündet, um immer komplexer werdende Drum-Eskapaden kreiselnd, in einen exzentrischen, an stammesrituelle Rufgesänge erinnernden, angezerrten Kreislaufkollaps. Die darauf folgende Atempause „Undeclared“ ist eine akustische Fingerübung in simpler Zupfgitarren-Niedlichkeit und das abschließende „God?“, greift das delta-blues-melodische Ping-Pong zwischen Gesang und Gitarre wieder auf. Wenn man also den Bogen zum Sonstwas-Core zurückschlagen will, sei das hier Folk-Speedcore genannt. Bretter aus geschrubbt-akkustischen Stakkato-Gitarrenwänden, die in ihren ruhigeren Momenten einen retrofizierten Scheunen-Freakfolk durchscheinen lassen, um diesen dann wieder mit metronomischer Dringlichkeit und verhallten Psychedelic-Einsprengseln in achterbahnene Perkussiv-Turbulenzen zu leiten. Ein nicht zu unterschätzendes Album mit musikalischer Vision und, ja, grobschnitziger Finesse.
Der Spanier Pablo Díaz-Reixa alias “El Guincho” ist, wie auch die Dodos, vernarrt in Rhythmus und Repetition. Wagt man anzunehmen, wenn man sein zweites Album “Alegranza” hört. Über Calypso-Loops aus Pedal-Steel und Pedal Drums, Marimbas und zerhackten Gitarrenschleifen osszilieren entrückte, aber nie lethargische Chorgesänge im übermütigen Klangraum. Eine Sammlung höchst energetischer World Music 2.0 – geschult an Sampling, Psychedelia und Kokosnuss-Geklöppel. Der Tatsache geschuldet, dass es sich hier um eine One-Man-Band handelt, fallen die Stücke reichlich geradliniger, pattern-texturierter aus als z.B. bei den ähnlich, nur offener strukturiert musizierenden Ruby Suns, die auch auch für einen Remix vom Album-Türöffner “Palmitos Park” verantwortlich zeichnen. Wäre “Alegranza” ein Kaffee, das Fazit läse sich so: Das Feuer Lateinamerikas, die fiebrige Leidenschaft und der unverwechselbar sinnliche Duft prosperierender Orangenhaine im Spätsommer – alles in Klang verpackt und in Feuerwerkskörpern über den Ozean gemalt – wie Musik, die man von Palmen schüttelt. Wie eine Disneyland-Themenpark-Attraktion, der ein paar Zahnräder fehlen. Eine Strandsand-Party in Aspik.
Musikalisch und regional etwas weiter nordwestlich sind die Frog Eyes aus Kanada anzusiedeln. Das im Umfeld der Wald-und-Wiesen-Weirdness des Absolutely Kosher Labels operierende Kollektiv legt mit “Tears Of The Valedictorian” sein siebtes Album vor. Rastlos und hektisch stürzt sich “Idle Songs” sofort in Carey Mercers endlose, die Tonleiter auf und ab krächzende, falsettierende und heiser flüsternde Wortwasserfälle. Dazu zersägte Orgel-Arpeggios, dreckige Gitarren und bocktrockenes Schlagzeug. In den folgenden acht Stücken entspinnt sich ein Geflecht entzückend unterkandidelten Glam-Rocks, fingerkuppennagenden Pathos' und Irrwitz aus dem klaustrophobischen Spiegelsaal. Mit “Bushels” wird Frog Eyes erste Mini-Psychpop-Oper abgeliefert. Eine handvoll bissig verzerrter Humbucker-Gitarren, und hochbündige Soli, vorgetragen mit jener lasziven Gleichgültigkeit, mit der damals auch schon Pavement ihren Meister machten. Der Mix ist opulent, aber dreckig. Dabei sind die Frog Eyes wahrlich keine kauzigen Dilettanten, die sich hinter lustloser One-Take-Attitüde verstecken. Sie sind stille Könner der großen Geste, aortenschwellender Dramatik, etwas rockformatiger als Arcade Fire, biestiger als die Wolf Parade und schorfiger als die Labelkollegen Xiu Xiu.

Engine Room Recordings, ein junges Label aus New York, wartet mit „Guilt by Association“ mit einem recht namhaft bestückten Cover-Sampler auf. 15 Bands und MusikerInnen interpretieren ihre persönlichen peinlichen Lieblingslieder, ihre sogenannten „guilty pleasures“. Teilzeit-Sonic Youth und Hans Dampf in allen Noise- & Freejazz-Gassen Jim O'Rourke liefert eine gänzlich unexperimentelle Version von „Viva Forever“ der Spice Girls ab, mit Angeber-Gitarrensolo und ohne Tempo – eine schlurfige Lederjackenballade für den Kaffee in der Mitropa. Luna, Nachfolge-Projekt des legendären Shoegaze-Psych-Twee-Pop-Trios Galaxie 500 covern Paula Abdul; „Back For Good“ von, jawohl, Take That, wird von The Concretes mit lässigem Mädchenband-Schmiss in ein musikalisches Sitzkissen für versonnene Nachmittage in Holzdielen-Wohnungen umtransformiert. Ex-Minutemen und Bass-Übervater Mike Watt gelingt es nur schwerlich „Burnin' For You“ vom Blue Öyster Cult vom speckigen Lederwesten-Mief zu entschlacken und steuert ein eher entsetzliches Bierfest-Gegröhle bei und Will Oldham bringt „Can't Take That Away“ von Mariah Carey in eine ungewohnt drollige Form. Der bärtige Grübler macht hier auf Postal Service light und liefert humpelnden Elektro-Trash mit billigem Streicher-Plugin und Kinderkeyboard-Congas. Des weiteren: Casey Shea mit einer Slowcore-Version von System of a Downs „Chop Suey“, Superchunk mit „Say My Name“ von Destinys Child und The Woody Jackson Orchestra, das mit Money Mark (Veröffentlichungen auf Mo'Wax und musikalischer Buddy der Beastie Boys) eine lupenreine Easy-Listening-Version des „Love's Theme“ von Barry Whites Instrumental-Alter-Ego „Love Unlimited Orchestra“ zum 15-Lieder-Rundumschlag aus der Lieblingslieder-Kiste hinterm Schrank beitragen, an der Erobique seine Freude hätte. Ach, und, Oasis sind auch dabei. Nämlich, jenseits des Rockismen-Korsetts, in Form von „Don't Look Back In Anger“, gecovert von aller Leute Lieblings-Neo-Hippie Devendra Banhart mit seinem Hausproduzenten Noah Georgeson. Miau.

Wie eine Katze, die übers Klavier läuft, klingt die Musik von Hauschka ganz und gar nicht. Sein „Prepared Piano“ (Karaoke Kalk, 2005) sondert wohlakzentuierten Schönklang ab. Unter dem Schatten des Referenzfingerverweises auf John Cale, und, paar Jahre vorher, Henry Cowell, erforscht Volker Bertelmann aka Hauschka, die Produktionsmechanismen des Techno mitgedacht und nutzend, die Modulationsmöglichkeiten am Klavier und macht sich dessen Vielfältigkeit nicht nur als Tasten-, sondern auch als Schlag-, Zupf- und Streichinstrument zu Nutze. Heraus kommt entrückte Kaffeehausmusik, getragen von glucksender Rhythmik und perkussivem Mäandern. Auf der Remix/Versionen-Sammlung „Versions Of The Prepared Piano“ (Karaoke Kalk, 2007) führten – Hauschkas Album „Room To Expand“ (FatCat, 2007) zwischengeschoben – diverse MusikerkollegInnen das Forschen am manipulierten Piano fort und in elektronischere Sphären. Die Spannbreite, die Barbara Morgenstern, Wechsel Garland, Frank Bretschneider, Tarwater, Hauschka selbst und andere hier auffalten, reicht von schlichten Hinzufügungen von Gesang, klassischem Sampling zum Zweck der Neuanordnung – und -konstruktion, bis hin zur zerhackfriemelten Minimal-Fetzen-Aneinanderreihung, die Nobukazu Takemuras „Assemblers Mix“ von „Kein Wort“, klingen lässt wie ein seniler Computer, der verliebt den Einwahlgeräuschen seiner 56k-Modem-Nabelschnur in die internetzte Aussenwelt zuhört. Neues Album „Ferndorf“ übrigens taufrisch via FatCat erhältlich.

Tract Records aus Ohio holt sich mit seiner in beharrlicher Unregelmäßigkeit erscheinenden Samplerreihe “Eye of The Beholder” (zuletzt erschienen: Volume 4, 2007), immer wieder auch Künstler aufs Labelbord, die es auch überozeanisch zu einer gewissen Hörerschaft gebracht haben. Devendra Banhart, Britta Persson, Songs:Ohio, Scout Niblett und die Early Day Miners. 2004 wagte man sich gar an einen Tribut Sampler für Will Oldham aka Bonnie 'Prince' Billy aka Palace Brothers, Palace Music, Palace Songs oder auch nur Palace heran. “I Am a Cold Rock. I Am Dull Grass” ist nun wiederveröffentlicht worden – mit 6 Bonusstücken oder, in einer Auflage von 500 Stück, als Doppel-CD. Neben eher vollständig unbekannten Namen, die allesamt so seltsam hifi musizieren, als müsste man schonmal von ihnen gehört haben, sind auch musikalische Zugpferde wie Iron&Wine, Boy Omega, Sorry About Dresden von Matt Oberst (jawohl, Bruder von Conor), oben genannte Scout Niblett sowie Calexico vertreten. Letztere machen aus dem splitternd nackten Seelenstrip „I Send My Love To You“, im Original auf „Days in the Wake„ von 1994, eine erwartbar typische, pedal-steel-durchwachsene sleazy Landstraßenballade für alle melancholiebegabten Truckfahrer. Scout Niblett entschlackt “Trudy Dies” um ein weiteres und mauzt und maunzt in der ihr eigenen Art und Weise die traurige Gebrochenheit des Originals zugrunde. Die anderen Beiträge bewegen sich in insgesamt auffällig ähnlicher, wanstiger Country-Manier. Alle versuchen ihr Gutes an den lakonischen Originalen von Oldham, die meisten scheitern konsequenterweise letztlich aber an der unwiderbringbar persönlichen Intimität des kaum mehr überschaubaren Oldhamschen Seelenleids-Kosmos, und liefern hier zu großen Teilen Dawsons-Creek-taugliche Traurigkeitsromantizismen ab.
In benannter Serie hätte allerdings „You Will Miss Me When I Burn“, im Oldhamschen Sinne eine sterbenstrauriges Lebewohl, in der Version von „The Rivulets“ eine anschmiegsames Schluchzballade der Marke Pete Yorn, seinen Platz sicher. Im Grunde also alles ganz schön.

Jeremy Jay schnippst sich, sein Vorbild Buddy Holly im Knopfloch, Jonathan Richman an der Hand und ein freudiges Straßenfest im Schlepptau, auf “A Place Where We Could Go” mit laszivem Verve durch eine Handvoll songwriter-gefußte Lofi-Cinematoskopien. „Heavenly Creatures“ hangelt sich am Leitthema von Pachelbels D-Dur-Kanon entlang, „While the City sleeps“ hat agentenfilmhaften Basslauf der Sorte Pink Panther und „Escape to Aspen“ erzählt „the life of
the living dolls“, die ihre maskenhaften Botoxgesichter glattgefräste Skihänge hinunterjagen – das alles recht knöchern instrumentiert und produziert von Calvin Johnston himself, folglich erschienen auf K Records. Eine versierte, retro-infizierte Songsammlung eines jungen schlanken Mannes, der, den Kopf im Kragen versunken, die Hände steif in den Manteltaschen, auf irgendetwas wartend vor einem Tabakwarengeschäft im Winter steht – gefilmt von einem Filmemacher der Nouvelle Vague.

Statt wie die meisten seiner anderen Tonträger bei K Records (ich sehe den Buchstaben „K“ damit als abgehakt“), hat Kyle Field alias Little Wings sein jüngstes Album „Soft Pow'r“ auf seinem eigenen Label Rad Records veröffentlicht. Dieses knüpft nach dem eher schroffen Vorgänger „Grow“ wieder an die schlurfige Kuckuckskauzigkeit und den kalifornischen West-Coast-Surfsound in verhältnismäßig spröder First-Take-Machart früherer Veröffentlichungen wie „Magic Wand“ und „Light Green Leaves“ an. Statt einer Dutzendschaft von Songs, die zuweilen an spontan-genialische Geistesblitze denken lassen, gibt es auf „Soft Pow'r“ gerade mal 7 Stücke auf 33 Minuten. Alle in den unteren Geschwindigkeitsbezirken angesiedelt, musikalisch clever arrangiert, volles Bandprogramm inklusive tiefsonorer Piano-Linker (besonders präsent im kommunenhaft-choralen Lagerfeuer-Lullaby „What Button?“). Soft, velvet und charming, wie ein Knuff in die Schulter.

Von einer ähnlich, nur ganz anders gearteten, aber ebenso unverwechselbaren Stimme wie der von Kyle Field ist auch “Distortion” (Nonesuch, 2008) von den Magnetic Fields getragen. Der Albumtitel löst sich in den 13 Stücken pflichtbewusst ein und Stephin Merritts sonst so schmusig-lakonisches, "69 Love Songs" erzählt habendes Organ darf sich hier, wenn nicht gerade Schlagzeugerin Claudia Gonson wie beim hymnischen "Xavier Says" den Lead-Gesang übernimmt, auf schleppend kreischende Gitarrenbetten legen und Geschichten von "Old Fools" und "California Girls" (in welcher Rezension wird eigentlich nicht auf die Beach Boys verwiesen?) erzählen. Das weihnachtliche "Mr. Mistletoe" von Lynn Anderson geriert sich hier zu einem zerschossenen Rückkopplungs-Walzer und "Too Drunk To Dream" verhandelt in einer Art quirligen Musical-Kulmination, kurz bevor die Vorhänge fallen, die alkoholgestützte Möglichkeit sich von unerwünschten Träumen fernzuhalten – "i gotta get too drunk to dream // because dreaming only makes me blue // i gotta get too drunk to dream // because i only dream of you". Ein musikalisches Zwiegespräch mit dem Schnapsglas. Ein rundes Feedbackkarussell in der Tradition von The Jesus And Mary Chain. Der kammermusikalische, wenn man so will, Trademark-Sound der Magnetic Fields schimmert bei aller "Distortion" aber trotzdem durch.

Obwohl neun Jahre später als die Magnetic Fields, nämlich 1999 gegründet, klingen The National aus mittlerweile New York wie alte Hasen oder vielmehr Herren. Zusammen mit Gruppen wie den Editors und Interpol und im weiteren Sinne vielleicht noch den Shout Out Louds (Die Glöckchen! Die Glöckchen!) stechen seit geraumer Zeit immer wieder Verfechter und Könner des beflissenen Schwermuts aus dem omnipräsenten Sumpf allerlei halbgar-bübischer Röhrenhosen-Gaudikombos heraus. Das letztjährige Album “Boxer” (Beggars Banquet) schickt ein Dutzend Lieder von betrübter Schmissigkeit in den – wenn das Album schon diese Steilvorlage gibt – Ring. 12 Stücke voll kluger Arrangements. Matt Berninger, Sänger und Songschreiber, serviert mit sonorer Souveränität Ab- und Hochgesänge auf den Schmerz in allen Lebensecken, -kanten und -lagen. Mit dem glitzernden Schmelz vergessen geglaubter Hoffnungsfülle. Statt zappeliger Rockismen gibt es hier wenig Akkordarbeit im eigentlichen Sinn. Die Dichte der Stücke entsteht aus dem kollektiven Zusammenspiel aller Instrumente, und ist letztlich natürlich wieder mehr als die Summe der einzelnen Teile. Das bassig-schwere Klavierfundament wird durchzogen von langen Streicherlinien und dezenten Gitarrenpickings. In all das webt sich Beringers Gesang in malerisch-schläfrigem Ton, so dass man ein wenig glaubt, das Weisse in seinen Augen zu sehen. Eine amtliche Kredenz zwischen den vielen buntbestreuselten Zitronenkuchenalben auf dem i.w.S.-Indie-Rock-Gedeck. “tiptoe through our shiny city // with our diamond slippers on // do our gay ballet on ice // bluebirds on our shoulders // we’re half-awake in a fake empire // we’re half-awake in a fake empire” (Fake Empire). Durch den attitüden-durchsumpften Stylo-Moloch schwemmt sich hier das Destillat melancholiegeschulter Songschreiberklasse empor. “Another uninnocent, elegant fall into the unmagnificent lives of adults.” (Mistaken For Strangers).

Mit etwas gutem Willen, obwohl diesen Buchstaben nicht wirklich am Anfang ihres Bandnamens stehen habend, lassen sich die san franziskanischen Thee Oh Sees (manchmal auch The Oh Sees, The Ohsees, und früher mal: OCS aka Orange County Sound, Orinoka Crash Suite) unter O einordnen. “The Master's Bedroom Is Worth Spending A Night In” (Tomlab, 2008) ist die neueste und eine von den vielen DIY-geprägten Veröffentlichungen des Kollektivs. Immer latent verstimmte, herabgetunete Gitarren, schlurfendes Schlagzeug und garagenfolkiger Übermut. Der Sound ist blechernd-dirty, blissful, velvet-samten. Biestiger Garage-Surf, den es in den 60ern irgendwo auch schon mal gab. In ihren ruhigen Momenten schimmert dabei ein sleazy, bisschen schimmernd ghostly Funkeln hindurch. Irgendwie irgendwo zwischen den Shangri-Las, Sonnys & Chers “I Got You Babe” auf Rasierklingen sitzend und jüngeren musikalischen Vorkommnissen aus Indie-Kollektiven wie “Elephant 6” (naiver bis kaputter Free-Folk mit Hau ins lofidelisch Verjazzte, siehe: The Olivia Tremor Control, Neutral Milk Hotel). Dass Bandbegründer John Dywer in seiner weitschweifigen Schleppe verschiedentlich gearteter Auftritte und Veröffentlichungen u.a. auch ein Projekt namens “Zeigenbock Kopf" zu verzeichnen hat, mit dem er "fake gay German Techno/Noise/ultra lo-fi hard Industrial-like"-Musik macht und als Bandmitglieder er als Hans, ein Uli Bunschlaper und ein Detlef aufgeführt werden, zeugt von einem gesunden Fehlen einiger Tassen im Schrank und einer ausgeprägt humoresken Ader. Jedoch: Statt Knallchargen-Hickhack liefern Thee Oh Sees aber lässig anschmiegsamen, fruchtigen Garagen-Grusel und schürfend kratzigen Freakbeat ab. Definitiv hörenswert.

P – wie Pause.

Quiet Life sind vier Leute aus New London, Connecticut. “Act Natural” heisst ihr Album und schön durchgehangener, sleazy Neo-Folk mit bluesrockdynamischen Einschlägen ist drauf. Wie ein bis zur Unkenntlichkeit gezähmter Billy Childish. Wie die frühen Wilco, mehr noch wie deren Vorgänger Uncle Tupelo. Große Rockgesten erinnern an die Eagles und die Counting Crows. Stimmlich irgendwo zwischen Conor Oberst, Black Francis und Chris Robinson von den Black Crowes. Etwas argwöhnisch würde man das hier wohl "amtlich" nennen, aber mit mehrmaligem Hören, dem ich hier gerade nachgehe, schält sich da etwas Einnehmendes heraus. Indie-Blues-Power-Folk. Prost.

The Ruby Suns aus Neuseeland schlagen auf ihrem Zweitling “Sea Lion” einen fulminanten Fächer afrikanisch und polynesisch inspirierten Easy-Listining-Psychoten-Calypso-Folks auf. Van Dyke Parks meets High Llamas meets The Shins. Eine Kopfkino-Platte im Weltpopmusikrock aus (Bom)Bast.

Stuart Staples & Dave Boulter, ihreszeichens Sänger und Keyboarder der Tindersticks laden via City Slang zu einem Flashback in Kindertage ein. Werbesongs, Kinderlieder und Titelmelodien alter Kinderfernsehserien, umgesetzt von einem Allstar-Cast aus Freunden und Kollegen. Gebündelt findet sich das Resultat dieser kindlichen Vergangenheitsauseinandersetzung auf ihrem Sampler “Songs For The Young At Heart”. Bonnie 'Prince' Billy besingt die schmerzlich traurige Geschichte von “Puff, The Magic Dragon”, Robert Forster (Ex-Go-Betweens) ist mit “Uncle Sigmund's Clockwork Storybook” vertreten und Kurt Wagner von Lambchop singt in typisch-tiefer Stimmlage von “The Inchworm”. Jarvis Cocker erzählt in einem Spoken-Word-Beitrag die Geschichte von “The Lion And Albert”. Stuart Murdoch von Belle And Sebastian, Garant fürs naiv-niedlich klingende singt “Florence's Sad Song”. Abgerundet wird diese bunte Kinderzimmertapete durch eigene Beiträge von Stuart Staples und den Tindersticks selbst.
Da wir sie bei B schon nicht hatten: The Breeders haben mal wieder ein Album gemacht. “Mountain Battles” heisst es. Und scheint soundtechnisch abermals direkt aus dem Proberaum zu kommen. Obwohl die Songs wie immer durchaus das Potential für schwelgerisch-einnehmende Pop-Operetten hätten, waltet eine bekannt-sperrige Sprödnis. Das, und nicht zuletzt Kim Deals zuckrige Raucherstimme, gaben den Breeders immer schon diesen leicht kumpelhaften Charakter, den zu hören auch immer wieder schön ist. Herausragend: “We're Gonna Rise” (eine Slowcore-Ballade, die fast an das entwaffnend-schöne “Off You” von Title TK (2002) heranragt) und “Walk It Off”, eine der rar gesäten Uptempo-Nummern.

U wie Unterbrechung

Various Artists huldigen auf dem Staubgold-Sampler “Jukebox Buddha” einer kleinen, transportablen Geräuschsmühle. Dieses 2005 von den Pekingern Christiaan Virant und Zhang Jian alias FM3 ins Leben gerufene Gerät, das an klapprige Werbeclou-Miniradios erinnert und die Ausmaße eines Ipods hat, sondert hypnotische Lofi-Loops aus Fernost ab und wird als smarter esoterisch-ergonomischer Soundtracklieferant für den Alltag beworben. Das auf entsprechender Myspace-Verortung zu hörende “Buddha Commercial” formuliert das so: “The anytime, anywhere source of tranquility”. Dass dieses simple Gerät unter findigen Bloglesern und Musikern wie Blixa Bargeld, Daft Punk und Brian Eno eine schwärmerische Eigendynamik entwickelte, war fast schon abzusehen. Von ihnen ist zumindest Blixa Bargeld auch auf “Jukebox Buddha” präsent. Neben ihm widmen sich vor allem Musiker und Projekte aus den weiten Feldern des experimentellen Elektro den kurzen Loops der FM3 Buddha Machine und kreieren, die Eigendynamik und die Gebrauchs-, Stör- und Eigengeräusche der Klangschleifen und sicherlich auch die meditativ-inspirierende Wirkweise des Gerätes nutzend, 15 staubgold-gefärbte Variationen. Weitestgehend beatfrei wird hier auf voller CD-Länge versunken Tieffrequentes zelebriert, im besten Sinne von Ambient als Idee des Durchbrechens eines konfrontativen Tonträger-Anhörens, der Gewolltheit von eigendynamischer Ausbreitung und Entwicklung des Sounds in Rezipient, Raum und Gerät. Thomas Fehlmanns “Liquid Buddha” lässt in endlosen Hallweiten dezente Spitzen von weissem Rauschen aufblitzen und Gudrun Guts “Rendering Buddha” an eine sich selbst verwaltende Teeküche denken. Mapstations “Watching Paiks Video Buddha” schickt freundliche Sinuskurvenbässe in seufzerisches Miteinander von Klängen und Geräuschen unbestimmter Herkunft und “BP//Simple” von Sunn O))) breitet in 10 Minuten einen sumpfig-monotonen Dampfnebel aus Dronedoom aus, der mit seinen froschtümpelartigen Field Recordings und dissonanten Moosfarben auf dem Grat zwischen Hell und Dunkel wandert. Insofern funktioniert auch diese Staubgoldveröffentlichung als synästhetisches Experiment.

Holt das blecke Boognish-Zahnfleischgrinsen unterm Bett hervor - Ween haben ein, nicht mehr ganz so neues, aber immer noch aktuelles Album veröffentlicht. "La Cucaracha" heisst es und aus dem Ärmel geschüttelt divers wie ihr 94er Major-Durchbruch "Chocolate & Cheese" ist es. Die aufgedrehte "Tequila"-Abwandlung "Fiesta" eröffnet den Reigen postpubertärem White Trashs, der wie in den besten Momenten von Ween nicht nur Ulk um des Ulks Willen ist, sondern nicht zuletzt mit musikalischer Virtuosität einen Fuss im Feuilleton-Hintertürchen hält. "Blue Balloon" glänzt mit Spielfreude, twangenden Gitarren und einem drollig näselnden Synthesizer. "Friends", auch als Vorab-EP erschienen, klingt wie verkaterte Pet Shop Boys am Ballermann. Die restlichen Stücke loten wie gewohnt allerhand musikalische Stilistiken aus. Eben noch wird der smarte Cadillac-Womanizer gemimt und im nächsten Moment schmiert man dir mit fispeligem Wiehern einen Popel an die Wange. Manches schrammt wie so oft bei Ween arg am No-Go-Genre Bierschubsmusik vorbei. "Shamemaker" greift das Riff von "Fiesta" wieder auf und klingt mit seinem Kaugummi-Englisch wie Mitneunziger-College-Poprock - Musik, die mit Pressefotos von pausbäckigen, bebasecapten "frechen" Teenagern beworben wird, die großäugig in Fischaugenobjektive reinglotzen. "Object" zeichnet mit Zeilen wie "you’re just a piece of meat // and i am the butcher // i love you better, love you forever // you’re just an object to me" einen Anflug von Ratlosigkeit in politisch korrekte Gesichter und spielt damit Weens Sonderstatus im Dunstfeld sich selbst brechender Ironie aus. Und "Sweethearts" ist eine ehrliche Liebeserklärung mit Streichern und Uuuh-Uuuh-Chören und zeichnet in Hollywood-Farben eine croonende Glitzeranzug-Romantik. Im folgenden "Lullaby" singt sich Gene Ween mit einer Stimme irgendwo zwischen Tiny Tim, Tim Curry und Antony Hegartys Kehlköpfigkeit über zärtlich-hingetatzte Klavierakkorde, während ein paar Harfen erklingen und eine ähnliche Zärtlichkeit wie das 15 Jahre ältere "Sarah" von "Pure Guava" erzaubern. Den Abschluss bildet "Your Party", eine Ballade für zehn Uhr abends mit Candy-Dulfer-Saxophon - Chris Rea, Chris de Burgh und die Dire Straits trinken zusammen ein Gezapftes. So etwas lief damals während der nächtlichen Programmvorschau der dritten TV-Sendeanstalten. Insgesamt ist "La Cucaracha" eine gelungene Zusammenführung der bedingungslosen Poppigkeit von "Chocolate & Cheese" und ihres regelrecht "erwachsenen" Art-Pop-Albums "The Mollusk". Eine musikalische Referenz-Grube: weniger Jauche als früher, dafür mehr Absinth und Ahornsirup.

Ihr mittlerweile sechstes Studioalbum liefern Xiu Xiu, im Kern immer noch Caralee McElroy und Jamie Stewart mit „Women as Lovers“ (Kill Rockstars, 2008) ab. Der Titel entspringt der englischen Übersetzung von Elfriede Jelineks „Die Liebhaberinnen“ und spielt ein weiteres Mal mit dem Xiu-Xiu-eigenen, Perspektiven wechselnden Standpunkt als irgendwie queere Band. Musikalisch und textlich ist das wesenszerrissen und unstet gehetzt. In den noisezerplitterten Stücken, die ihren Ursprung irgendwo im Indie und Elektro nicht verleugnen, sich beharrlich selbst destrukturieren, dabei die Hookline nicht aus dem Auge verlieren, sondern sie in open-minded jazzige Abgründe reißen, wälzt sich Jamie Stewarts ehrlich leidende, zitternde Stimme in manifesten Daseinskrämpfen. „There is no right // there is no wrong // in why we live // there is only wrong // so radical // destroyed for nothing // and i don't care // i don't care anymore“ (F.T.W.). Zusammen mit Michael Gira von den Swans gibt es zudem mit „Under Pressure“ eine bis auf die post-punk-verquere Saxofoneinlage seltsam originalnahe Coverversion des einigermaßen totgespielten Queen-, räusper,-Klassikers.

Auch wenn sich die Welt in Jamie Stewarts Schädel etwas düster reflektiert, soll zum Ende dieser Tonträgerbesprechungsaufkettung so eine Art Optimismus Einzug halten. „You Don't Need Darkness To Do What You Think Is Right“ (Geographic / Domino), kompiliert und herausgegeben durch Mitglieder der ein Vierteljahrhundert dienstälteren Schotten The Pastels auf ihrem Label Geographic Music, einem Ableger von Domino, bringt Musikartisten wie Future Pilot A.K.A. (indisch angehauchter Dubpop), Maher Shalal Hash Baz (aktuelles Album „L'autre Cap“ auf K Records), Appendix Out, Barbara Morgenstern und Kevin Shields zusammen. Die Titelliste schmückt sich mit Erfreulichkeiten wie „Everybody Is A Star“, „Remember Fun (Like We Was Young) “, „Kleiner Ausschnitt“, und „The Language In Things“ und löst die Twee-Pop-Versprechung, den Samplertitel und Kompilatoren erwecken, ganz gut ein. Eine zu großen Teilen wirklich erfreuliche Zusammenstellung.

Etwas anderes Erfreuliches noch zum Zchluss: Frank Zanders aktuelle Maxi-CD heisst “Spass ist für alle da!“. Die Tracklist liest sich wie folgt: „1. Spass ist für alle da (Radio Spass), 2. Rauchen macht frei (2008), 3. Spass ist für alle da (Party Spass), 4. Spass ist für alle da (Karaoke Spass). Wer da nicht Purzelbäume schlägt, muss Rheuma haben.

Martin Hiller

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