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Editorial

Alexander Pehlemann
Das Versteck der Sinne ist angespannt, vielsagend Deut für Deut das Wortgeflecht, kirrem Gedanken folgt klirrendes Geschirr, dem Schlangenverderben das Wurmwerden.
Bert Papenfuß

Zonic zum Zwanzigsten! Oder eher: im Zwanzigsten! 1993–2013! Tja. Erstauntes Zusammenzucken, verwundert ob des Da-sind-wir- aber-immer-noch, kurz auch zwanghaftes Zurückschauen, aber dann vor allem: panisch weiter! Denn die Zeit wird anscheinend knapp.
Ich erspare mir und Euch also sentimental triefende oder be- geistert ausschweifende Rückblenden mit Larmoyanz- und Me- lancholiegefahr, dafür böten ausgedehnte Kneipenbesuche sowieso das bessere Ambiente, und offenbare eher, was es denn nun mit dieser Jubiläumsausgabe auf sich hat, die als sol- che vor allem durch geschickte Verzögerungstaktik zustan- de kam. Denn wohl Informierte wissen: Eigentlich war eine Zonic-Almanach-Ausgabe 18/19 angekündigt. Diese ist natür- lich nicht verschwunden, sondern inkorporiert worden. Unter Beibehaltung einiger Themen, die wir vollmundig bereits per Flyer preisgaben (und vielleicht werden jene A4-Werbeblätter ja mal Objekte von Sammlerbegierden ...). Sowie unter Abwurf einiger Opulenz-Momente, die dort versprochen wurden, aber aufgrund ökonomischer Aufstellungen derzeit nicht geliefert werden können. Wunderbarer Ballast, der hoffentlich woanders lanciert werden kann, hier aber fallen musste, um den Zonic- Ballon in die dünne Luft der Existenz zu senden. Ein eigenwil- liges Gefährt, das sich auch nicht mehr komplett mittels DIY- Eigenenergie bewegt, sondern nunmehr in Kooperation mit dem Ventil Verlag seine randmediale Außenbahn findet. Hurra!!! Ein solches auch auf die erfreuliche Erweiterung der Ko-Redakti- on, in der sich Robert Mießner als wahrer Aktivposten erwiesen hat. Neu sind ebenso viele SchreiberInnen dieser Ausgabe, darun- ter erstmalig auch solche aus dem Ausland. Willkommen! Neu ist auch die dadurch notwendige Hilfe verschiedener Überset- zer. Auch hier gilt: Willkommen & Danke! Das Zonic-Netzwerk wächst und wächst ...
Ansonsten ist diese Ausgabe unübersehbar von einer gewissen inhaltlichen Schwere gekennzeichnet. Es wird so manches the- matische Minenfeld betanzt und viel Raum für durchaus Kontro- verses gelassen. Ohne dass es wirklich beabsichtigt gewesen wäre, schlagen sich dabei sogar Bögen zur ersten Zonic-Ausgabe, die auf 32 kopierten Seiten in (per Hand kolorierter!) 64er-Auflage unter anderem Laibach (»Wir sind die letzte jugoslawische Band!«) und einen vagen Annäherungsversuch an Oi!- und Skinhead-Kultur bot. Laibach und die Neue Slowenische (wie Sorbische) Kunst spielen zwanzig Jahre später gleich mehrfach eine Rolle, wobei die Betrachtungen bis zu Daniil Charms oder in den Leningrader Underground der Achtziger schwenken. Polnische Sounds waren und sind sowieso immer dabei, aber mit dem gewagten Ausflug in die Grauzone geht es sogar doppelt ins Zonic-Ursprungsterrito- rium zurück, in die subkulturellen Niederungen von Greifswald: Vorpommerns Kulturhauptstadt, in der dieser Almanach ja auch nach dem Umzug des Hauptquartiers gen Leipzig immer noch seine grafische Eigenwerte behauptende Gestaltung erfährt!
Ansonsten gibt es wie immer viel aus dem realen politisch-geo- grafischen wie dem imaginierten »Osten«, von Polen über Sibi- rien bis Ungarn und Slowenien, darunter natürlich auch wieder neues Altes aus dem DDR-Magnetbanduntergrund, dies aller- dings sogar inklusive Zonic-initiierter Rückmeldungen. Es gibt aber auch die Carpenters, jüdische Luftmenschen, Dance Lyrics, schwule Subkultur von sicher links (Borghesia) bis eher rechts (Death in June), dazu viel bastardisierende Poesie und etwas »Kunst« ... Aber vor allem: uns noch immer! 3 x Hurra! Zwanzig Salut-Schüsse!
& jetzt: w-e-i-t-e-r! Geschichte muss gemacht werden. Vor allem: aufgeschrieben (nämlich das nächste Zonic-Spezial, to be out early 2014). In diesem Sinne, um es mit dem Albert Einstein Komitee aka A.E.Bizottság zu sagen: auf zum Abenteuer!
Immer weiter unterwegs in Sachen: Kulturelle Randstandsblicke und Involvierungsmomente.
Alexander Pehlemann im Kultúrny Dom B31, Leipzig, 2013

P.S.: Nein, es geht nicht immer und für jeden einfach weiter. Diese Ausgabe ist Hagen »Muffin« Hopf gewidmet, dessen Zonic-Beiträge in Sachen »Weltmusik« stets die Wahrnehmungs- zonen weiteten, der aber vor allem als enger Freund und kritischer Weggefährte fehlen wird.

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