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Ryuichi Sakamoto
Scores

Elisabeth Nagy

Seit langem ist Ryuichi Sakamoto ein erfolgreicher Filmkomponist. Seine erste herausragende Arbeit war die Musik zu „Oshimas Merry Christmas, Mr. Lawrence“ 1983. Für „The Last Emperor“ (1987) bekam er schließlich auch den Oscar. Regelmäßig arbeitet Sakamoto für Bernardo Bertolucci, Oliver Stone oder Pedro Almodóvar. Zuletzt komponierte er unter der Regie des Briten John Maybury und dem Altmeister Brian de Palma.

In John Mayburys Film „Love is the Devil“, mit dem Untertitel „Study for a Portrait of Francis Bacon“, hatte Ryuichi Sakamoto wohl eine besonders schwere Aufgabe zu erfüllen. Der Regisseur ließ die Welt eines Malers wiederauferstehen, der zu den einflußreichsten dieses Jahrhunderts gehört und nicht selten auch Filmemacher beeinflußt hat. Maybury nähert sich der Kunst der Malerei mit den Mitteln von Kamera, Lichtsetzung und Ausstattung. Sakamoto blieb nur die Welt der Töne, um die Psyche des Malers einzufangen und dessen Werk zu interpretieren. Der Score ergänzt glücklicherweise die Bilder. Regisseur und Komponist verwenden die Musik zur Vertiefung der Wirkung und setzen sie daher auch nur pointiert ein. Die Bilder von Francis Bacon verstören den Zuschauer und auch der Film tut dies, gleichsam fasziniert er. Die Musik, sparsam verwendet, ist oft düster und beklemmend. Teils meint man die Klänge mit den Ohren, gleichsam aus dem Innern der Darsteller zu hören, dann wieder kommen deren Einflüsse von außen und dringen nur verzerrt an das Ohr. Und dann wird die Musik fast unhörbar. Es sind dann nur noch Anrisse von Sounds, die sich aneinanderreihen. Melodien werden kaum mehr ausgespielt. Es wird immer dissonanter, gleichzeitig verstärkt sich die meditative Wirkung. Sakamoto arbeitet mit elektronischen Klanglandschaften, die die volle Konzentration der Zuhörer fordern.

„Snake Eyes“ dagegen ist ein klassischer Suspense-Thriller in der Tradition von Alfred Hitchcock. Brian de Palma ist bekannt für seine ausgeklügelten Kamerafahrten und der Film mit Nicolas Cage und Gary Sinise in den Hauptrollen ist weitaus intelligenter gemacht, als die meisten Filme, die derzeit aus Amerika kommen. Viel verschenkt Brian de Palma mit der Besetzung. Leider geht es ihm auch nicht darum, den Zuschauer über die Frage, wer der Schurke ist, im Unwissenden zu lassen. Ihm geht es mehr um den Stil, und er erzählt des Rätsels Auflösung in „Rashomon“-Tradition, immer wieder aus einem anderen Blickwinkel. Das, nachdem die erste richtige Szene eine furiose Fahrt von über zehn Minuten ist, ungeschnitten. Allein für diese Szene lohnt sich der Kinobesuch. Als Komponisten wählte der Regisseur Ryuichi Sakamoto und das ist dann doch ungewöhnlich. Sakamoto darf hier ebenso an Hitchcock erinnern, wie der Regisseur. Es sind die Streicher, die die Spannung aufbauen. Die Komposition wirkt durch ihre Monotonität und das Steigern des Volumens. Die Musik bekommt einen erzählenden Charakter, der durchaus auch auf der CD-Veröffentlichung seine Geschichte zu erzählen weiß. Sakamoto bedient sich dann zunehmend auch elektronischer Unterstützung und die Beziehung zwischen dem Cop und dem verdächtigen Mädchen löst er sogar mit jazzigen Klängen auf.

Love is the Devil (Rough Trade)
Snake Eyes (Hollywood Records)

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