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Antonio Banderas
Ein Interview

Elisabeth Nagy

Nach 40 Jahren kehrt Zorro, der Fuchs, auf die große Leinwand zurück. Ursprünglich, Anfang des Jahrhunderts, handelte es sich bei Zorro noch um eine Comic-Figur. Sein Charakter war einem Robin Hood und einem real existierenden kalifornischen Banditen nachempfunden. Bereits 1920 entstand der erste Zorro-Film, damals mit Douglas Fairbanks sen. in der Hauptrolle. Zahlreiche Versionen folgten, sogar eine Fernsehserie, auch einen schwulen Zorro gab es einmal. 1998 führen Anthony Hopkins und Antonio Banderas die Tradition weiter. Kein tiefschürfender Film, eher Hollywood-Unterhaltung ist diese „Maske des Zorros“, doch zum einen versprüht Martin Campbells „Zorro“ den Witz der alten 40er Jahre Abenteuer-Epen und zum anderen wird hier ein altes Thema tatsächlich originell angepackt. „The Mask of Zorro“ reiht sich in die Mega-Blockbuster des Jahres ein und hebt sich doch neben all den Untergangsfilmen und Beziehungs-Dramen od. -Komödien ab.
In Berlin traf ich dann Antonio Banderas höchstpersönlich. Ein Typ, mit dem man Pferde stehlen könnte. Klein und schmächtig ist dieser Mann, das läßt seine Leinwandpräsenz sogleich in einem ganz anderen Licht erscheinen. Doch sein Charme ist der gleiche. Seine Aufmerksamkeit, Ernsthaftigkeit und nicht zuletzt Ehrlichkeit tat ein übriges.

Zonic: Pedro Almodóvar sagte 1986 in einem Interview: „Antonio darf man nicht aus den Augen lassen. Man muß ihn unter Kontrolle halten. Er arbeitet mit seinem Unterbewußtsein, und es geschieht, daß er sich zu viele Fragen stellt.“ Nun, bist Du Dir inzwischen selbstsicherer geworden?
Antonio Banderas: Ich glaube, ich bin immer noch etwas unsicher von Zeit zu Zeit. Doch bis jetzt habe ich in 53 Kinofilmen gespielt, stellt Dir vor, wie oft man mich morgens aus dem Bett geklingelt hat. Das gibt einem doch Selbstbewußtsein. Ich habe Vertrauen in meine Fähigkeiten, gleichzeitig bin ich auf der Suche nach mir selbst. Ich möchte mich weiterentwickeln, im Beruf genauso wie im Privatleben. Ich möchte ein noch besserer Schauspieler werden, ein noch besserer Mensch, ein noch besserer Vater.
Zonic: Bereits Deinen ersten Film hast Du mit Pedro Almodóvar gedreht. Zehn Jahre warst Du Teil seiner Truppe. Wie hat Dich dieser Regisseur in Deiner Entwicklung beeinflußt?
A. Banderas: Er hatte einen sehr großen Einfluß auf mich. Ich habe zu einer Zeit in Spanien mit Almodóvar gearbeitet, als in dem Land sehr bedeutende Veränderungen geschahen. Almodóvar steht für eine Ära, die jede bestehende Regel gebrochen hat. Die Bewegung nannte sich La Movida. Wir trennten uns von der Vergangenheit und experimentierten mit der Zukunft. Er hat also sowohl den Schauspieler als auch den Menschen in mir beeinflußt. Und vergiß nicht, daß Almodóvar um die ganze Welt gereist ist. Überall hat er seine Filme auf Festivals zeigen können, auch in Amerika. In gewissen Kreisen respektierte man seine Arbeit sehr. Ihm habe ich also zu verdanken, daß ich jetzt Zorro sein kann.
Zonic: Ich habe gelesen, daß Du diesen Film Pedro Almodóvar gezeigt hast?
A. Banderas: Oh ja. In Los Angeles habe ich ihn auf eine Vorführung mitgenommen und er mochte den Film. Kaum zu glauben. Er ist eigentlich jemand, dem nichts gefällt. Er ist sehr kritisch. Er mag seine eigenen Filme, und solche, dessen Regisseure wahrscheinlich schon tot sind. Orson Welles zum Beispiel.
Zonic: Wer ist Deiner Meinung nach Zorro?
A. Banderas: Zorro ist eine ganz andere Art von Held, als wir ihn von Hollywood kennen. Dieser Held hat bereits fast ein Filmjahrhundert überdauert, zahlreiche Darsteller trugen seine Maske. Warum wohl? Ich glaube, Zorro ist ein Held des Volkes. Sie lieben ihn. Und er ist ein Mensch. Er fliegt nicht, er tut nichts dergleichen, was andere amerikanische Helden so tun. Er hat sogar moralische Grundsätze. Er ist romantisch, sogar witzig, während andere oft durch Muskelpakete bestechen. Er ist kein angreifender Held, er wehrt vielmehr ab. Von seinen Händen tropft kein Blut, denn er tötet nur selten. Er macht seine Gegner eher lächerlich. Zorro ist kein Actionheld, er ist eher ein Abenteurer.
Zonic: Steven Spielberg gab Dir diese Rolle. Ursprünglich war sogar Andy Garcia im Gespräch.
A. Banderas: Nun, auf der Oscar-Zeremonie von 1994 erzählte mir Spielberg von Zorro. Also, wenn dich Steven Spielberg anspricht, er hätte da einen Film für dich, dann schickst du ihn sicherlich nicht zum Teufel. Aber er konnte mich nicht sofort überzeugen. Zorro wurde schon von so vielen Schauspielern dargestellt, außerdem war das ganze Projekt schon zum Paket gebunden. Ich habe kaum eine Möglichkeit gesehen, daß ich da für mich etwas erarbeiten kann. Ich ließ mir zuallererst das Drehbuch geben. Und erst da erkannte ich, daß „The Mask of Zorro“ etwas ganz anderes werden sollte. Dieser Film zeigt Zorro aus einer ganz anderen Perspektive. Und der Humor überzeugte mich. Am Anfang des Filmes bin ich gar nicht Zorro, das erlaubt mir, mit meiner Figur zu spielen. Später tue ich so, als wäre ich Zorro, aber das bin ich dann noch lange nicht. Die Rolle des Zorro ist traditionsgemäß perfekt, doch ich hatte hier die Möglichkeit seine Fehler aufzuzeigen. Ich konnte ihm menschlichere Konturen geben. Gleichzeitig kann ich das Publikum zum Lachen bringen. „The Mask of Zorro“ bedient sich auch nicht nur eines Stils. Zuerst handelt es sich um eine Tragödie. Esperanza wird ermordet und Elena wird entführt. Dann töten sie meinen Bruder. Und dann plötzlich sind wir mitten in der Komödie, bis ich Elena kennenlerne und das Ganze sehr romantisch wird. Das Ende ist episch und doch endet es so, wie wir es von Zorro erwarten. Der Charakter entwickelt sich unter den Augen der Zuschauer. Dieser Zorro ist nicht als Held geboren worden. Er muß es erst lernen und die großen Zusammenhänge begreifen. Anfangs ist er nur mit sich und seinen persönlichen Problemen beschäftigt. Er ist wütend, er will Rache üben. Ein Kindskopf gleichermaßen. Als er die Goldmine besucht und sieht, wie kleine Kinder dort geknechtet werden, erkennt er die größere Wahrheit. Er entwickelt sich zum sozialen Wesen, erst dann beginnt er Zorro zu sein. Und seien wir mal ehrlich: wann gab es einen Zorro-Film mit zwei Zorros? Die Message ist eindeutig: nicht der Mensch hinter der Maske ist wichtig, sondern die Maske selbst. Der Charakter bleibt zeitlos. Als Anthony Hopkins stirbt, da gibt er die Fackel an den Jüngeren weiter, die Tradition bleibt bewahrt. Zorro lebt in den Herzen der Menschen und die Figur wird in Spielfilmen immer wieder seinen Platz finden.
Zonic: Du warst schon immer ein arbeitender Schauspieler. In Spanien hast Du einen Film nach dem anderen gedreht und als Du Dich in Amerika niedergelassen hast, da war das nicht anders. Bis zu fünf Filme kamen in einem Jahr ins Kino. Was treibt Dich? Ist es Dir eine Notwendigkeit und hast Du jetzt endlich etwas von diesem Tempo gelassen?
A. Banderas: Spanien ist ein Markt, da muß man unablässig arbeiten, nur damit man die Miete zahlen kann und vielleicht ein kleines Auto. Ein sehr trauriger Zustand. Frag einen Schauspieler, der 60 Jahre auf dem Buckel hat. Der hat dann in ca. 350 Filmen mitgespielt, das ist unglaublich. Doch wenn er davon die besseren aussuchen müßte, dann blieben da vielleicht fünf Titel übrig, die ihm auch gefallen. Als ich nach Amerika kam, konnte ich den Markt noch gar nicht einschätzen. Vielleicht hatte ich auch nur schlechte Ratgeber. Tatsache ist, daß ich mit dem gleichen Tempo weiterarbeitete. Doch Hollywood funktioniert so nicht. Es passierte, daß ein Film, der damals schon drei Jahre alt war, das war „Of Love and Shadow“, zur gleichen Zeit ins Kino kam, wie ein anderer Film. Und „Four Rooms“, ein kleiner Low-Budget-Film, darum wollte ich da auch mitspielen, also der startete dann im Marketingschatten des größeren. Plötzlich hatte ich fünf, sechs Filme in den Kinos. Das fiel dann sogar mir auf. Was zum Teufel mache ich da eigentlich? Was ist bloß in Antonio Banderas gefahren? Ein gefährlicher Moment, und ich sah ein, daß ich einen Fehler begangen hatte. Seitdem habe ich mich zurückgehalten. Letztes Jahr kam „Evita“ in die Kinos. Dieses Jahr ist es „The Mask of Zorro“ und nächstes Jahr wird es wahrscheinlich „The 13th Warrior“ sein, von John McTiernan, nach dem Buch von Michael Crichton. Und natürlich mein Regiedebüt.
Zonic: Du hast Deinen ersten Film gedreht und Du hast auch eine eigene Produktionsgesellschaft. Green Moon heißt die, ein sehr lyrischer Name.
A. Banderas: Federico Garcia Lorca, ein spanischer Dichter, der im Bürgerkrieg umkam, schrieb, daß wir Andalusier nicht von der Sonne so dunkel wären, sondern vom grünen Schein des Mondes. So hätten wir die grüne Farbe der Olivenblätter. Also, meinen Film habe ich inzwischen abgedreht. Er heißt „Crazy in Alabama“. Wir sind gerade beim Schnitt und im Dezember muß ich den Film dem Studio übergeben. 53 Mal stand ich bisher vor der Kamera, jetzt endlich konnte ich dem Publikum einmal zeigen, wie ich die Welt sehe. Es ist eine Romanverfilmung, ursprünglich eine lockere Collage. Die Handlung trägt sich 1965 zu, ein Kind von 12 Jahren erzählt uns von den Menschen, die damals um die Bürgerrechte kämpften. Es geht also um die Freiheit, die Wahrheit, um Leben und Tod. Der amerikanische Traum und gleichzeitig der amerikanische Alptraum.
Zonic: Seit langem möchtest Du die Verfilmung von „Phantom of the Opera“ realisieren. Auf der Bühne hattest Du schon einmal proben dürfen.
A. Banderas: Nicht das ganze Stück, nur ein Lied habe ich vorgetragen. Andrew Llyod Webber hat mich höflich zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen. In Wahrheit war das wohl eine Probeaufnahme gewesen, nicht wahr... Mit dem „Phantom der Oper“ gibt es Probleme. Musicals lassen sich in Hollywood schwer realisieren. Ich meine, „Evita“ war kein Flop, aber keiner hat an diesem Film geglaubt, bis sie den fertigen Film gesehen hatten. Wen interessiert schon eine Oper über eine Frau irgendwo in Argentinien, im Jahr 1952, noch dazu hat das Ganze einen politischen Hintergrund? Wenn man das in Betracht zieht, war dieser Film ein Erfolg. Leider hat Hollywood die Tradition der Musicals verloren. Wenn man mich fragt, was mir Hollywood bedeutet, dann ist Hollywood für mich Gene Kelly, Fred Astaire und die anderen. All das gibt es heute nicht mehr. Es scheint, die jungen Zuschauer verachten die Musicals. Das „Phantom der Oper“ muß sich dagegen stellen. Die Regisseure stehen auch nicht gerade Schlange. Sie wissen nicht, was sie aus diesem Stoff machen könnten. Eine schwere Oper, sehr klaustrophobisch. Noch dazu spielt das Ganze in einem einzigen Theater. Dabei darf man nicht vergessen, daß das „Phantom der Oper“ einst ein Horrorfilm war, bevor er zum Musical wurde. Man müßte den Mystizismus des Themas, den Horror und die Romantik verbinden. Nur zu gerne würde ich dann die Hauptrolle spielen. Aber dafür bräuchte es sorgsamer Vorbereitungen auch von meiner Seite. Zu allererst müßte ich das Rauchen lassen. Ich müßte meine Stimme bilden, das allein dauert sechs Monate. Doch was möchte dann der Regisseur? Welche Vorstellungen hätte der Bühnenbildner? Das liegt also noch in weiter Ferne.

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